Paul Ryaner Liebling der Tea Party
Mitt Romney stellt den 42-jährigen Paul Ryan auf einem Schlachtschiff als seinen
Vizepräsidentschaftskandidaten vor – und schießt dabei etwas übers Ziel hinaus.
Die konservativen Meinungsführer in den USA haben ihn als republikanischen Vizekandidaten für die Präsidentschaftswahl im November gefordert, zuletzt immer lauter. Das einflussreiche Magazin Weekly Standard trommelte seit Längerem für Paul Ryan, den Kongressabgeordneten aus Wisconsin. Auch das wirtschaftsnahe Wall Street Journal sprach eine Empfehlung für Ryan aus.
Mitt Romney scheint diese Rufe gehört zu haben: Der designierte Präsidentschaftskandidat hat den 42-jährigen Nachwuchsstar der Republikaner am Samstag als seinen running mate vorgestellt – auf einem Schlachtschiff.
Romney kündigte ihn im Überschwang mit den Worten an: “Dies ist der nächste Präsident der Vereinigte Staaten.”
Ryan selbst lobte Romney anschließend für dessen wirtschaftliche Expertise, die er auch als Chef von Bain Capital unter Beweis gestellt habe. Die Washington Post hat das Redemanuskript veröffentlicht. Demnach sagte Ryan, Romney habe neue Jobs geschaffen und gezeigt, dass er wisse, wie eine freie Wirtschaft funktioniert.
Sein Statement, Amerika sei das einzige Land der Welt, das auf einer Idee gegründet wurde, sorgte sofort für Widerspruch – wahrscheinlich nicht nur bei den Anhängern von Präsident Barack Obama.
Ryan ist der Kopf hinter der republikanischen Haushaltspolitik im Kongress. Seit Jahren verfechtet er im politischen Nahkampf in Washington die Rezepte der Partei gegen den hohen Schuldenstand und das maue Wirtschaftswachstum: weniger Staat, niedrigere Steuern, radikale Reformen des Sozialsystems. Nach Meinung des Wall Street Journal steht der Chef des Haushaltsausschusses im Repräsentantenhaus wie kein anderer für die “Generationenentscheidung über die Rolle der Regierung”, die am 6. November anstehe. Ryan gilt auch als Liebling der ultrakonservativen Tea-Party-Bewegung.
Mit Ryan an seiner Seite würde Romney seinen Wahlkampf noch stärker auf die Wirtschaft zuschneiden. Romney und Ryan halten Präsident Barack Obama vor, den USA einen “Sozialismus nach europäischem Vorbild” aufzwingen zu wollen. Der Staatseinfluss habe dabei nicht nur die Staatsverschuldung weiter in die Höhe getrieben, sondern auch eine Erholung der Konjunktur nach der schweren Wirtschaftskrise blockiert. Als Beleg führt Romney, der Ende August auf dem Parteitag der Republikaner in Florida offiziell zum Kandidaten gekürt werden soll, die Arbeitslosenquote von mehr als acht Prozent an.
Ryan arbeitete als Burgerbrater und Fitnesstrainer
Anders als Romney, der erst 2003 als Gouverneur von Massachusetts in der Politik eine gestaltende Rolle übernahm und seine Vergangenheit als Geschäftsmann rühmt, ist Ryan ein Geschöpf Washingtons. Mit nur 28 Jahren wurde er 1998 in das Repräsentantenhaus gewählt, zuvor hatte er bereits als Mitarbeiter im Kongress und für eine konservative Denkfabrik in Washington gearbeitet. Politico schrieb, Ryans Erfahrung in der Privatwirtschaft beschränke sich weitgehend auf Schüler- und Studentenjobs als Burgerbrater bei McDonald’s sowie als Fitnesstrainer.
Ryan stammt aus Janesville im Südosten von Wisconsin, noch heute lebt er dort mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Der Sohn eines Bauunternehmers wuchs in behüteten katholischen Verhältnissen auf, doch im Sommer 1986 musste er einen schweren Schicksalsschlag verarbeiten: Der damals 16-Jährige fand seinen Vater tot im Bett, gestorben an einem Herzinfarkt. “Ich wurde wirklich schnell erwachsen”, sagte Ryan dem Magazin New Yorker. Der Jugendliche widmete sich nach dem Tod des Vaters mit größerem Ernst der Schule. In seiner Freizeit las er die Werke der libertären Philosophin Ayn Rand sowie der Ökonomen Friedrich Hayek und Ludwig von Mises – jener Denker, auf deren Ideen die wirtschaftsliberalen Positionen vieler Republikaner heute fußen.
Den Uni-Abschluss machte Ryan in Wirtschaft und Politik an der Miami University im Bundestaat Ohio, dann begann sein steiler Aufstieg in Washington. Mit Anfang 40 sei er nun “der womöglich einflussreichste Politikstratege in der republikanischen Partei”, urteilte die New York Times.
Ein Vizekandidat Ryan würde für Romney aber auch Risiken bergen. Der Budgetplan, den der Haushaltsexperte im März durch das Repräsentantenhaus brachte, sieht Kürzungen von mehr als fünf Billionen Dollar über das kommende Jahrzehnt vor, unter anderem bei Lebensmittelhilfen und der Krankenversicherung für Arme. Die Steuern sollen dagegen sinken, auch für Reiche. Das Ryan-Budget passt genau in Obamas Botschaft, mit Romney drohe der soziale Kahlschlag.
Außerdem müsse Romney für einen Wahlsieg vor allem die Wechselwähler in Schlüsselstaaten wie Florida oder Ohio gewinnen, sagt der Politikprofessor Alan Abramowitz von der Emory University. “Und ich denke nicht, dass ihm Paul Ryan dabei in irgendeiner Weise behilflich sein wird.”
Leave a Reply
You must be logged in to post a comment.