Wahre Lügen
17.08.2012
Beide Parteien setzen die gute alte amerikanische Tradition des schmutzigen Wahlkampfs fort. Die Republikaner sind darin besonders engagiert, denn ihre wirklichen Ziele sind bei den Wählern nicht populär.
Beide Seiten kämpfen erbittert, nehmen es mit der Wahrheit öfter nicht so genau und sind beleidigt, dass die Gegner genau so vorgehen wie sie selbst. So weit, so gut. So ist Wahlkampf in den USA schon immer gewesen. 1960 behauptete Richard Nixon: „Wenn es eine Rezession geben wird, dann weil Kennedy und sein Sprecher sie herbeigeredet haben.“
2004 ließ George W. Bush in seiner Wahlkampagne mit falschen Behauptungen John Kerrys heldenhaftes Verhalten im Vietnam-Krieg diskreditieren. Er selbst bezeichnete Kerry als prinzipienlos und unstet, während sein Wirtschaftsminister schlicht meinte: „Er sieht Französisch aus.“ (Für Europäer: Das war als schwere Beleidigung gemeint, siehe folgenden Link). 2008 schließlich gab es – viele werden sich erinnern – einen ziemlich hässlichen Wahlkampf zwischen McCain/Palin und Obama/Biden, den Paul Harris im britischen Sonntagsblatt „The Observer“ sogar für den „bösartigsten“ aller Zeiten hielt.
Tradition der politischen Auseinandersetzung
So gesehen folgt der Wahlkampf 2012 einer guten alten Tradition der politischen Auseinandersetzung, die zumindest in Deutschland ungewöhnlich scheint. Mir kommt es dennoch so vor, als ob die Auseinandersetzung in diesem Jahr noch ein wenig schmutziger und hinterhältiger als früher geworden ist. Es vergeht keine Woche ohne Angriffe, die auf teilweise falschen oder unbelegten Behauptungen beruht. Zuletzt tat sich der demokratische Mehrheitsführer mit einer kleinen Kampagne hervor, die Mitt Romney Steuerbetrug unterstellte. Gleichzeitig machten Videos eines Obama-nahen Super-PACs Romney mittelbar für den Krebstod der Frau eines Stahlarbeiters verantwortlich, der seinen Job durch Romney Heuschreckenfirma Bain-Capital verlor.
Die Republikaner stehen den Demokraten aber in nichts nach. Einmal reißen sie einen Satz Obamas aus dem Zusammenhang („You didn’t build that“/Sie haben das nicht errichtet) und tun so, als spreche er Unternehmern ihre Leistungen ab, obwohl sich der Satz eindeutig auf öffentliche Bauten wie Brücken und Straßen bezieht. Jon Stewart hat das in seiner Show wirklich hübsch vorgeführt:
Ein anderes Mal schnappen sich die Republikaner einen Halbsatz von Joe Biden und machen ihn zu einem rassistischen Kommentar. Der Vizepräsident hatte bei einer Veranstaltung in Newark gesagt: „Romney will die Banken wieder ihre eigenen Regeln schreiben lassen, Wall Street aus den Ketten befreien. Und Sie alle wieder in Ketten legen.“ Während seiner Rede ging es um die Rechte der Konsumenten, unsittliche Geschäftspraktiken und die Notwendigkeit, die Börsen strenger zu regulieren. Doch weil die Zuhörer mehrheitlich schwarz waren, unterstellte ihm Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan, er wolle mit rassistischen Klischees punkten. Newarks – schwarzer – Bürgermeister Cory Booker ist entsetzt und wünscht sich auf CNN eindringlich, dass man in diesem Wahlkampf aufhört, ständig Sätze aus dem Zusammenhang zu reißen, und sich stattdessen auf die Inhalte konzentriert. Ja, so idealistisch können demokratische Politiker auch noch sein.
Dubiose Videos
Republikaner hingegen beschimpfen Obama und Biden lieber als unwürdig, hasserfüllt und total verzweifelt. Und sie lassen von Unterstützern dubiose Videos produzieren. So etwa das jüngste Machwerk einer Organisation, die unabhängig tut, aber von Republikanern geführt wird, die zum Teil in der Administration von George W. Bush gearbeitet haben. In dem aufwendig gemachten 22-minütigen Video wird behauptet, Obamas Regierung habe Information über die Exekution bin Ladens durchsickern lassen, die die Sicherheit von Amerikanern gefährden. Zudem schmücke sich der Präsident mit Lorbeeren, die nur dem Militär oder ganz Amerika zustehen. Belege fehlen, natürlich.
Ob solche Aktionen davon ablenken können, dass weder Romney noch Ryan irgendwelche außenpolitischen oder militärischen Erfahrungen haben? Wohl kaum. Allerdings wird das Thema ohnehin nachrangig sein. In den nächsten Wochen wollen die Wähler vor allem wissen, wer mehr oder weniger Steuern zahlen soll und wer mehr oder weniger Gesundheitsfürsorge erhält. Auf diesen Feldern bieten Romney und Ryan nicht gerade populäre Konzepte an, so dass sie, davon ist der bekannte Publizist Michael Tomasky überzeugt, nur gewinnen können, wenn sie lügen. Bleibt die Frage, wie viel Wahrheit die Demokraten den Wählern zumuten werden.
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