Ryan hat keine Ahnung von Außenpolitik
Von Damir Fras
20.08.2012
Der frisch ernannte Vizepräsidenten-Kandidat der US-Republikaner, Paul Ryan, ist ein begabter Blender. Er kündigt viel an, entwirft große Pläne – deren Verwirklichung allerdings fernab jeglicher Wahrscheinlichkeit sind.
Eines steht fest: Von Außenpolitik versteht Paul Ryan, frisch ernannter Vizepräsidenten-Kandidat der US-Republikaner und Mitt Romneys beste, weil letzte Karte im Poker um das Weiße Haus, nichts. Rein gar nichts. Kenntnisse auf diesem – nicht ganz unwichtigen – Gebiet hat Ryan für sich auch nie reklamiert. Deswegen wäre es besser gewesen, wenn Ryan jetzt einfach den Mund gehalten hätte. Stattdessen sagte der alerte Politiker, dass es sich mit China folgendermaßen verhalte: Das Land behandle die USA wie eine Türmatte – und er werde nicht zulassen, dass das so weitergehen werde.
Ryan vergaß nur zu erwähnen, wie er das anstellen möchte. Diese Vergesslichkeit ist die Regel, nicht die Ausnahme im Fall des 42-jährigen Kongressabgeordneten. Er ist ein sehr begabter Blender. Er kündigt viel an, schreibt umfangreiche Thesenpapiere, entwirft große Pläne – deren Verwirklichung allerdings vollkommen unwahrscheinlich ist.
Viel ist in den vergangenen Tagen über die „konservative Revolution“ geschrieben worden, die das Duo Romney und Ryan für die USA planten. Tatsache allerdings ist: Es handelt sich bislang nur um die Ankündigung einer konservativen Revolution. Und bei dieser Ansage wird es aller Voraussicht nach bleiben. Das liegt alleine schon in der Sorge Romneys begründet, die Wahl am 6. November wegen der radikalen Vorstellungen seines Vize-Kandidaten zu verlieren. Weil Ryans Ideen selbst jene konservativen Wähler in den USA eher abschrecken als anlocken, deren Atem sich alleine beim Anblick des eloquenten Familienvaters aus Wisconsin vor Freude beschleunigt.
Ryan stellt die richtigen Fragen. Das immerhin muss man ihm zubilligen. Und er hat Mut. Er fragt, ob das kränkelnde US-Gesundheitssystem mit seinen Komponenten Medicaid für Arme und Medicare für Alte in Zukunft noch bezahlbar sein wird. Er fragt, ob das gewaltige US-Staatsdefizit mit den bisherigen Methoden unter Kontrolle zu bringen ist. Die Antwort auf beide Fragen lautet: Nein!
Doch Ryans schriftlicher Vorschlag, den er pompös mit „Path to Prosperity“ (Weg zum Wohlstand) überschrieben hat, ist allenfalls theoretisch geeignet, beide Probleme in den Griff zu bekommen. Praktisch wird er nicht funktionieren.
Die weitgehende Privatisierung des Gesundheitssystems Medicare bedeutete enorme Mehrkosten für die Versicherten, weil nur über eine Deckelung der Staatsbeiträge zu dem System ein Spareffekt eintreten wird. Das kann sich jeder Rentner und zukünftige Pensionär leicht ausrechnen und wird sich deswegen gut überlegen, ob er seine Stimme dem Radikal-Duo Romney-Ryan gibt.
Auch der Rückzug des Staates aus Wirtschaft und Gesellschaft, wie ihn sich Ryan ausmalt, ist mehr die Idealvorstellung eines Neoliberalen als eine praktisch umsetzbare Politik. Die Staatsverschuldung soll sinken. Dazu müssten aber die Steuern steigen, was Ryan als Konservativer jedoch nicht wollen darf. Die Schulden würden auch weniger, wenn die Ausgaben für die Verteidigung des Landes gesenkt würden. Doch auch dieses Tabu mag der ansonsten so mutig wirkende Ryan nicht brechen. Sein Plan liest sich dagegen wie Kapitel Eins aus dem Lehrbuch für das Studium der Sozialstaatsbeseitigung: Erst wer die staatlichen Sozialausgaben auf ein Minimum reduziert, wird die Schulden erfolgreich abbauen können.
Diese Aussicht dürfte jedoch allenfalls in der Wählergruppe verfangen, die ohnehin Romney und Ryan zugeneigt ist. Unentschiedene Wähler dürften – siehe Gesundheitspolitik – eher abgeschreckt denn angelockt reagieren. Zumindest das scheint der erste Mann im republikanischen Zweierteam inzwischen begriffen zu haben. Die Entscheidung für Ryan war eine Entscheidung, die eine Debatte über die Frage ausgelöst hat, wie viel Staat sich die Amerikaner in Zukunft noch gönnen wollen. Es war auch eine Entscheidung, die Romney viele Schlagzeilen gebracht hat. Doch eine Vorentscheidung über den Ausgang der Wahl war sie nicht.
Gesicht der US-Republikaner
Nicht anders lässt sich Romneys Verhalten in den vergangenen Tagen deuten. Ihm muss himmelangst sein. Denn Romney fasst Ryans Pläne nur mit spitzen Fingern an. Er raunt, dass die Vorstellungen des jungen Mannes gut seien, er aber der Bewerber um das Präsidentenamt sei und übrigens auch eigene Ideen habe. Welche genau das sind, vergisst allerdings auch Romney regelmäßig zu erwähnen.
Der einflussreiche konservative US-Kommentator Charles Krauthammer hat kürzlich Paul Ryan eine große Zukunft vorgesagt. Jener Politiker könnte über Jahrzehnte hinweg das Gesicht der US-Republikaner werden, schrieb er. Mag sein. Doch wahrscheinlicher ist momentan, dass Paul Ryan das Schicksal von Friedrich Merz ereilen wird. Erinnern Sie sich? Das war der deutsche CDU-Politiker, der auch einen waghalsigen Steuerplan aufgeschrieben hat. Auf einen einzigen Bierdeckel sollte die Steuererklärung passen. Lange ist es her, und über Merz spricht kaum einer mehr.
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