Get Lost, Niall!

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Mach Dich vom Acker, Niall!

Von Daniel Haufler

Der Starhistoriker Niall Ferguson hat in einem polemischen Essay Präsident Obamas Abgang gefordert. Dabei nimmt er es allerdings mit den Fakten nicht so genau. Statt dem Präsidenten zu schaden, hat er so seinen Ruf verspielt.

Wer einmal ein Buch von Niall Ferguson gelesen hat, weiß eines gewiss: Der Historiker liebt den großen Wurf, hält sich nicht allzu sehr mit Fakten auf, die nicht in sein Konzept passen, und illustriert seine meinungsstarken Geschichten gern mit Anekdoten. Genau so ist in dieser Woche auch sein Essay für das Nachrichtenmagazin Newsweek geschrieben, in dem er sich vollkommen enttäuscht von Barack Obama zeigt. Der Präsident habe seine Versprechen nicht eingehalten und solle sich nun vom Acker machen („Hit the Road, Barack“). Immerhin verschweigt er nicht, dass er vor vier Jahren den Republikaner John McCain bei der Wahl unterstützt hat.

Leider, leider stimmen aber sonst so einige seiner Behauptungen nicht, mit denen er seine Forderung nach Obamas Abgang unterstreichen will. So schreibt Ferguson, dass die Börsenkurse zwar um 74 Prozent seit Januar 2009 gestiegen seien, doch in der Wirtschaft gebe es „4,3 Millionen weniger Arbeitsplätze als im Januar 2008“. Mmmhm, der aufmerksame Leser wird sich wohl wundern, warum hier zwei verschiedene Zeiträume für den Erfolg der Börse und den Misserfolg bei den Jobs gewählt werden. Die Grund ist schlicht: Ferguson will Obama für den Verlust von Arbeitsplätzen vor dessen Amtszeit verantwortlich machen (so auch zu Recht Matthew O’Brien mit etlichen weiteren Fehlern von Ferguson in seinem Atlantic-Artikel). Für wie blöd hält der Harvard-Historiker die Leser eigentlich?

Arbeitslosenquote ist relativ hoch

Die meisten Arbeitsplätze gingen während der Krise noch in der Amtszeit von George W. Bush verloren – um im ersten Quartal 2009, als Obamas Politik überhaupt noch keinen Einfluss auf die Entwicklung haben konnte. Hinzu kommt, dass die Arbeitslosenquote jetzt relativ hoch ist (was Ferguson natürlich kritisiert), weil die Republikaner in den Einzelstaaten, die sie regieren, den öffentlichen Sektor gnadenlos zusammengestrichen haben. In der Wirtschaft hingegen sind neue Jobs entstanden, was zu einem Gutteil auf Obamas Investitionsprogramme zurückzuführen ist.

Unmittelbar und recht heftig reagierte der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman in seinem Blog auf Fergusons Elaborat. Warum er es sogar für „unethisch“ hält, illustrierte er an Fergusons Kritik an der Gesundheitsreform. Der Historiker behauptet unter Berufung auf das unabhängige Congressional Budget Office (CBO) – eine Behörde, die im Auftrag des Kongresses den Haushalt prüft –, dass die Reform Kosten von 1,2 Billionen Dollar zwischen 2012 und 2022 verursachen wird. Das ist glatt gelogen. Denn das CBO hat ermittelt, dass die Reform die Staatsschulden um 210 Milliarden entlasten wird (PDF). Es geht hier nicht um Ideologie, kritisiert Krugman, sondern um die Verfälschung von Fakten.

In einer völlig verqueren Erwiderung versucht Ferguson den klaren und unabweisbaren Fakten von Krugman etwas entgegen zu halten, doch er scheitert kläglich. James Fellows meint daher im Atlantic Magazine: „Ernsthaft, ich frage mich, ob einer von Fergusons Studenten sich trauen würde, so einen Essay abzugeben und zu gucken, wie es läuft.“

In einer zweiten Reaktion stellt Krugman daher auch eine entscheidende Frage: Wie kann es sein, dass ein anerkanntes Nachrichtenmagazin wie Newsweek so einen fehlerhaften Text überhaupt abdruckt? Gibt es da keine Leute mehr, die die Fakten überprüfen? Früher einmal war das eine der großen Stärken des Magazins. Krugman schließt daher mit der berechtigten Anmerkung: „Wir wissen was Ferguson tun wird: Er wird frech weiter machen und mit seinem Geschick zur Lesertäuschung prahlen. Doch was wird Newsweek tun?“ Bislang jedenfalls noch nichts. Da dürfen sich die Kollegen nicht wundern, wen sich die Leser von dem wirtschaftlich ohnehin angeschlagenen Blatt abwenden.

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