The Age of Wrath: Part 3

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Ich streife ein paar Kunststoffhandschuhe über, stelle mich in die Schlange vor der Essensausgabe, eine Köchin reicht mir zwei Teller durch die Klappe. Es gibt Salat mit Pilzen und Radieschen, Hühnerfleisch, Enchiladas.

Wo ist die Frau mit dem gelben Leibchen, die die Verteilung des Essens dirigiert? Sie hebt den Arm, winkt mir, hier soll die nächste Portion hin, Kinder zuerst, dann die Eltern, zum Schluss die Singles. Der Saal wartet still.

Leute, die noch vor ein paar Monaten 40, 50, 60 Stunden die Woche gearbeitet haben, sitzen jetzt hier und brauchen dieses Abendessen.

»Die amerikanische Mittelschicht verschwindet gerade«, sagt Jonathan, sie wird »eliminiert«. Das ist sein Wort.

Ich stelle die beiden Teller vor einer Mutter mit einem Mädchen ab, vielleicht zehn Jahre alt.

»Enjoy.«

Es gibt Wasser dazu und eine kalte, rote Limonade. Die Menschen essen, sehr konzentriert. Sehr leise.

Und, wie war es?, fragt mich Jonathan nach dem Essen. Mir fällt nur ein Wort ein: humbling. Man wird bescheiden. Demütig.

Draußen vor der Halle färbt sich der hohe, weite Himmel rosa. Die Berge leuchten im Abendlicht.

Während der Reise durch Amerika, abends in den Motels am Rand der Route 66, lese ich Steinbeck. Und ein anderes Buch der Stunde, Charles Murrays Coming Apart, eine Studie über die tiefe Spaltung der Vereinigten Staaten. Oben und Unten in den USA, argumentiert Murray, leben zusehends in anderen Welten. Die mächtige Oberschicht unter sich, in sorgsam abgeschirmten Enklaven, mit dem Rücken zu ihren Mitbürgern. Die Unterschicht, geplagt von der Erosion der Familien, der Solidarität, der Hoffnung. Und eingezwängt dazwischen, erodierend, sorgenvoll, teils panisch, die Mittelschicht.

Das Dancing Eagle Casino, ein Indianer-Reservat in New Mexico, in dem Glücksspiel erlaubt ist. Meine hundert Dollar wandern über den Tisch, ich trinke Gin Tonic, verliere und verliere.

Wo ich herkomme, will Lana wissen, die Angestellte, die über den Roulettetisch herrscht. »Aus Germany?« Sie grinst: »Und, haut ihr jetzt die Griechen raus? Oder lasst ihr sie pleitegehen?« Was sie denn vorschlage, frage ich zurück. Keine Ahnung, sagt sie: »Wir sind doch selbst wie Griechenland. Nur heißt unser Deutschland China. Und da sind wir echt am Arsch.«

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