The Age of Wrath: Part 4

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Religiöse, Liberale und irgendwas dazwischen

Während Lana plaudert, hat sie die drei Spieler am Tisch jeden Moment im Blick. Hier ein Lächeln, da ein Spruch. Als ich wieder 27 Dollar im Plus bin, steige ich aus.

In Arizona verlasse ich die Route 66, fahre runter nach Süden, in Richtung Tucson. Braunes, struppiges Land. Kakteen wie Säulen. Mexiko ist nicht weit. Fast dreißig Grad schon am Morgen.

Vergangenes Jahr starben fünf Menschen auf dem Parkplatz eines Supermarktes in Tucson. Der US-Abgeordneten Gabrielle Giffords wurde in den Kopf geschossen, sie überlebte nur durch irrwitziges Glück. Hätte die Kugel sie einen Millimeter weiter links oder rechts getroffen, sie wäre tot gewesen. Der Attentäter Jared Lee Loughner feuerte mit einer halbautomatischen Waffe um sich. Er wird seither psychiatrisch behandelt. Giffords musste ihren Sitz im Repräsentantenhaus aufgeben und ist seither in einer Reha-Klinik.

Unweit des Flughafens, zwischen Autohändlern und einem Truck-Verleih, duckt sich ein roter Flachbau unter der brutalen Sonne. Die Dienststelle des Sheriffs von Pima County, Clarence Dupnik.

Der Sheriff klagt über »den Bullshit der religiösen Einpeitscher«

Nur Stunden nach dem Attentat auf Giffords trat Dupnik damals vor die Kameras. Er ist ein wuchtiger Mann, fleischige Nase, mächtiger Bauch, »hundert Prozent polnisch«. 76 Jahre ist der Polizeichef alt, 54 Jahre im Dienst in Tucson. Eine Legende. Und ein persönlicher Freund von Giffords.

Seine Worte machten Schlagzeilen, überall auf der Welt. Dupnik fragte, wie es zu solchen Gewaltausbrüchen kommen könne. Und er hatte eine Antwort: Das politische Klima im Land sei »vitriolic«,sagte er, »vergiftet«. Von den Ultrakonservativen, von religiösen Fundamentalisten, von den rechten Radio-Talkern, die unentwegt hetzten, die Lügen verbreiteten und Propaganda.

Die Liberalen liebten ihn dafür. Die Europäer auch. Endlich eine Stimme der amerikanischen Vernunft, eine Stimme gegen den Hass, gegen die ideologische Polarisierung.

Die Rechten fielen über ihn her. »Ich habe Zehntausende E-Mails bekommen«, sagt er. »Die Leute glauben den Bullshit der religiösen Einpeitscher wirklich. Es ist wie Gehirnwäsche.« Auf Demonstrationen werden Plakate mit Hakenkreuzen gezeigt, Obama wird als Hitler karikiert. »Wir sind schlechte Vorbilder für unsere Kinder.«

Vor ein paar Jahren war mal vom »Sun Belt« die Rede, vom Sonnengürtel: New Mexico, Arizona, Nevada, Kalifornien. Prosperierende Staaten, ewiger Sommer, ein Versprechen auf Zukunft, anders als im »Rust Belt«, den maroden Industriestaaten im Norden. Menschen zogen hierher, Arizona und Nevada waren lange zwei der am schnellsten wachsenden Staaten der USA. Wie konnte dieses Land so wütend werden, so frustriert, hysterisch, radikal?

Was hat sich geändert seit dem Attentat auf Gabrielle Gifford, Sheriff?

Clarence Dupnik grinst. Es gibt jetzt ein Institute for Civility an der Universität von Arizona. Ein Institut für Zivilität, Schirmherren sind die Ex-Präsidenten Bill Clinton und George Bush senior. Und sonst? »Nichts.«

Das Land ist in Aufruhr, die Leute sind empört. »Die Mittelklasse arbeitet, damit die Reichen noch reicher werden.«

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