A President Without Passion

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TV-Duell Obama Romney

Präsident ohne Passion

Ein matter Obama gegen einen souveränen Romney: Medial betrachtet, siegte der Herausforderer im TV-Duell. Doch die Wahl entscheiden Inhalte.

Tagelang kannten die amerikanischen Medien kein anderes Thema als dieses Duell. Jede Möglichkeit, jeder denkbare Trick, jede Strategie wurde x-mal hin und her gewendet, bevor sich Präsident Barack Obama und sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney zum ersten Mal direkt gegenüberstanden.

Wenn es Romney darum gegangen sein sollte, menschlicher und mitfühlender als bisher aufzutreten, dann hat er das Ziel erreicht, war er der klare Sieger. Er agierte souverän, erzählte von Begegnungen, er war deutlich besser vorbereitet als der Präsident. Das monatelange Training hat sich ausgezahlt und Barack Obama hat eine wichtige Chance vertan.

Denn zu einem Zweikampf, der bis zur Ziellinie spannend gehalten und zugleich für Unterhaltung und Einschaltquoten sorgen soll, gehört, dass der Schwächere unbedingt aufholen muss: in der Medienwahrnehmung und möglichst auch in der Wahrnehmung der Wähler. Und denen ist Romney vor allem als einer in Erinnerung, der in einem unbedachten Augenblick die Hälfte der Amerikaner abschrieb und als Schmarotzer bezeichnete.

Mimik zählt mehr als Inhalte

Romney suchte die Debatte mit dem Präsidenten intensiv und genoss die Auseinandersetzung sichtlich. Obama hingegen wirkte lustlos, unwirsch und oft zu professoral. Er blickte nach unten oder zum Moderator, statt seinem Duellgegner beharrlich ins Gesicht zu schauen.

In einer Fernsehgesellschaft, in der Auftritt, Mimik und Verhalten oft mehr zählen als Inhalte, war Barack Obama der klare Verlierer. Man hatte es eigentlich genau andersherum erwartet.

Doch Romney wirkte gelassener und, soweit man das über ihn sagen kann, auch authentischer und mit sich selber im Reinen. Er war deutlich angriffslustiger, ohne dabei verletzend oder arrogant zu wirken. Der Mann, der als Gouverneur von Massachusetts die allgemeine Krankenversicherungspflicht einführte und damit die Blaupause für Obamas Gesundheitsreform lieferte, schaffte es sogar, den Präsidenten in diesem Punkt in die Defensive zu bringen. Er verstehe nicht, sagte Romney, wie Obama sich zwei Jahre für die Gesundheitsreform statt für Jobs verkämpfen konnte.

Zwei Drittel sehen Romney als Sieger

Obama war verdutzt, blickte grimmig und antwortete ziemlich matt, er habe stets beide Aufgaben im Auge gehabt. Ihm fehlte die Passion, die Leidenschaft. Müde, ja manchmal fast resigniert lächelte er zu den Attacken Romneys und unterließ es, zum Gegenangriff überzugehen und auf die vielen wunden Punkte seines Gegners zu zielen. So gesehen, war es ein sehr guter Abend für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten.

Das zeigten eine Stunde nach der Debatte auch sofort Umfragen. Laut CNN erklärten zwei Drittel der Zuschauer Romney zum Sieger.

Es gibt allerdings auch eine andere Sichtweise, und die ist weniger medial bestimmt. Wer weniger darauf aus war, ein scharfes Duell zu erleben, wen die Show nicht interessierte und wer auf rhetorische Kunststücke keinen Wert legt, der muss Barack Obama zum knappen Punktsieger erklären.

Freie Fahrt für Wendehals-Republikaner

Zwar hielt sich auch der Präsident bedeckt und gab sich wortkarg, aber im Gegensatz zu Romney sprudelte er wie ein Wasserfall, als es ganz nüchtern darum ging, was die beiden Kontrahenten eigentlich in den nächsten vier Jahren vorhaben. Romney blieb wie immer vage und wollte plötzlich nicht einmal mehr etwas von seinem radikalen Steuersenkungsplan und den beabsichtigten schmerzlichen Einschnitten ins soziale Netz wissen. Doch das störte anscheinend weder den Moderator noch den Präsidenten. Obama unterließ es völlig, Romney hier herauszufordern. Der Wendehals-Republikaner hatte freie Fahrt und konnte ungehindert so tun, als sei er in allem, was politisch populär ist, plötzlich mit dem Präsidenten einer Meinung.

Aber es wird für Romney verdammt schwer, den Trend zu stoppen und in sein Gegenteil zu verkehren. Und überdies lehrt die Geschichte: Trotz aller Aufgeregtheiten und allen Medienrummels – Fernsehdebatten entscheiden selten eine Wahl. Eigentlich nie.

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