Biden Is Supposed to Bail Out Obama

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Nach dem schlechten Debattenauftritt von US-Präsident Obama lastet ein hoher Druck auf seinem Vize. Denn Herausforderer Paul Ryan ist ein anderes Kaliber als Sarah Palin 2008.

Diesen Satz sollte Joe Biden im Duell besser nicht wiederholen. “Die Mittelklasse wurde in den letzten vier Jahren begraben”, war es dem US-Vizepräsidenten letzte Woche im Wahlkampf herausgerutscht. Es war keine gute Wortwahl für einen Politiker, der sich um eine zweite Amtszeit bewirbt – auch wenn Biden damit sagen wollte, dass die Blockade der Opposition im Kongress den Bürgern geschadet habe. Der Vize von US-Präsident Barack Obama ist für seine Volksnähe und für seinen politischen Instinkt bekannt, aber eben auch für die “gaffes”, für seine verbalen Patzer.

Die US-Demokraten halten den Atem an. Denn wenn sie beim TV-Duell der Vizepräsidentschaftskandidaten an diesem Donnerstag etwas nicht gebrauchen können, dann ist es ein “Biden gaffe”. Eigentlich wäre die Debatte zwischen Biden und Paul Ryan, dem Vizekandidaten des republikanischen Herausforderers Mitt Romney, ein Spiel von Zweitligisten gewesen. Aber nach Obamas schwachem Auftritt im ersten Duell gegen Romney lasten hohe Erwartungen auf Biden: Der Stellvertreter muss seinen Chef raushauen. Obama hat in den letzten Tagen den Vorsprung in den Umfragen eingebüßt, den er nach dem Parteitag aufgebaut hatte. In einigen liegt er nun sogar hinter Romney.

Die meisten Beobachter glauben, dass Biden gute Chancen hat, den Test zu bestehen. Die flapsigen Ausrutscher passieren dem leutseligen Vize meist, wenn er sich unters Volk mischt. In Debatten hat der frühere Senator Disziplin und Sachverstand bewiesen. Eine weitere Stärke des 69-Jährigen: Er gilt als bodenständig und sympathisch – anders als sein bisweilen abgehoben wirkender Chef. Auf dem Parteitag in Charlotte heizte Biden mit einer eingängigen Rede die Stimmung unter den Delegierten an.

Seine Präsenz dürfte Biden in der Konfrontation mit Ryan nutzen. Allerdings hat er es bei Romneys Vize mit einem anderen Kaliber von Gegner zu tun als noch 2008. Damals trat er gegen John McCains Vizekandidatin Sarah Palin an. Die frühere Gouverneurin von Alaska hatte sich mit ihrem offensichtlichen Mangel an Faktenwissen schon vor der Debatte demontiert. Bidens wichtigste Aufgabe war es, nicht überheblich zu wirken.

Der Kongressabgeordnete Paul Ryan ist eine größere Herausforderung. Der ehrgeizige 42-Jährige ist einer der einflussreichsten Wirtschaftspolitiker seiner Partei. Der Haushaltsexperte im Repräsentantenhaus ist der Autor eines bekannten Plans für den Defizitabbau. Ryan kann mit Zahlen jonglieren, dass es seinen Gesprächspartnern schwindelig werden kann: Bei einem Gipfeltreffen, zu dem Obama die Opposition im Februar 2010 eingeladen hatte, zerpflückte er in einem sechsminütigen Monolog die Pläne für eine Gesundheitsreform, die die Demokraten im März 2010 durch den Kongress drückten. “Dieser Plan tut nichts, um die Kosten zu senken”, so Ryans hartes Fazit.

Für Biden wird es darum gehen, Ryans Zahlensturm zu überstehen und die politische Angriffsfläche zu nutzen, die dessen Budgetplan bietet. So könnte er sich auf dessen Vorschläge für eine Reform der Krankenversicherung für ältere Bürger stürzen – ein heißes Thema in wichtigen Staaten wie Florida, wo viele Rentner leben. Wenn Biden die Zuschauer davon überzeugen kann, dass die Medicare-Reform, die Romney und Ryan propagieren, Amerikas Senioren schadet, trüge er einen Punktsieg davon.

Biden kann auch versuchen, politische Differenzen zwischen Ryan und seinem Boss auszuleuchten. So hatte Ryan, der aus dem Staat Wisconsin im Mittleren Westen stammt, für die staatliche Rettung des Automobilkonzerns General Motors gestimmt – Romney war dagegen. “Osama Bin Laden ist tot, und GM lebt”, ist einer von Bidens Lieblingssprüchen im Wahlkampf, der zugleich auch einen der größten Erfolge der Obama-Regierung beleuchtet: die Tötung von Amerikas Staatsfeind Nummer eins.

Es ist schade für Biden, dass die Außenpolitik in diesem Wahlkampf eine so geringe Rolle spielt. Denn während Ryan auf diesem Gebiet ein unbeschriebenes Blatt ist, blickt der frühere Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat auf mehrere Jahrzehnte Erfahrung zurück. Als Biden 1972 zum ersten Mal in den Senat gewählt wurde, war Ryan zwei Jahre alt. Der Vizepräsident war eng in Obamas wichtigste sicherheitspolitische Entscheidungen eingebunden – von der Beendung des Krieges im Irak bis zum Drohnenkrieg gegen Terroristen in Pakistan. Im Wahlkampf in Ohio echote Ryan am Montag Romneys Kritik an Obamas Außenpolitik und warf dem Präsidenten Führungsschwäche im Umgang mit den aktuellen Krisen in Syrien, Libyen und dem Iran vor. Wie Ryan sich bei der Außenpolitik schlägt, wird auch den Boden für die nächste Woche bereiten, wenn Obama und Romney in ihrer zweiten Debatte im Bundesstaat New York über ebendieses Thema diskutieren.

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