Mach Deinen Job, verdammt
Von Anetta Kahane
14 Oktober 2012
Im US-Wahlkampf haben sich die Fronten verzogen. Die Rededuelle der Präsidentschaftskandidaten machen das deutlich.
Der amerikanische Präsident muss als Person die ganze Breite seiner jeweiligen politischen Richtung verkörpern: der eine den konservativen Republikaner, der andere den liberalen Demokraten. Vor dieser Wahl haben sich jedoch die Fronten verzogen. Mitt Romney will eigentlich niemand, nicht einmal seine Republikaner. Er ist ihnen zu steif, zu ungeschickt und viel zu vage. Wer ihn dennoch wählt, tut es, um Obama zu verhindern. Und auf der anderen Seite, bei den Demokraten ist man enttäuscht vom Präsidenten. Vielen gilt er als zu inkonsequent, zu professoral und zu vage. Wer ihn dennoch wählt, tut es, um Romney zu verhindern. Richtig Spaß macht eine solche Konstellation nicht, aber mit Beginn der Rededuelle der Kontrahenten lässt sich daraus vielleicht noch was machen.
Die erste Debatte sah ich in einem kleinen Kino, in dem sonst ausschließlich anspruchsvolle Dokumentarfilme gezeigt werden. Der Saal war voll. Die Leute hatten Popcorn auf dem Schoß und sprachen angeregt miteinander bis das Duell begann. Der Kandidat der Republikaner, Mitt Romney und der Präsident Barak Obama begrüßten sich freundlich.
Von links ein Treffer auf den Bauch
Gleich in den ersten Minuten wurde klar: Obama war ganz schlecht drauf. Er sprach unkonzentriert, verlor den Faden, lächelte in sich hinein statt aus sich heraus. Und Mitt Romney redete, erklärte, gab Beispiele. Er wirkte klar und gelassen. Das Publikum im Saal starrte entsetzt auf den Präsidenten. Dann schrie jemand: „Warum sagst du nicht, dass er lügt!?“ Doch Präsident Obama hörte ihn nicht und fuhr mit seinen belehrenden Verallgemeinerungen fort. „Mach deinen Job, verdammt!“ rief ein anderer, „Es geht hier nicht um Dich!“. Nach der Debatte zerstreute sich die Gruppe der Besucher rasch und offensichtlich irritiert.
Zur Debatte um die Vizepräsidentschaft ging ich in eine Bar. Auf dem Bildschirm über der Theke laufen sonst nur Sportreportagen. Und eigentlich war es auch diesmal so: Die Kandidaten Joe Bilden und Paul Ryan gingen kämpferisch aufeinander los. Keiner schenkte dem anderen etwas. Dementsprechend kommentierten die Jungs vor und hinter der Theke das Geschehen. Wie beim Boxen gingen dabei die Arme mit: rechter Haken durch die Abwehr und von links ein Treffer auf den Bauch. Traf Bilden johlten die Leute, hatte Ryan den besseren Zug, nahmen sie stumm einen Schluck aus der Bierflasche. Hinterher wurden Fouls und Treffer diskutiert.
Nicht mit Romney zurück ins Mittelalter
Auf dem Weg nach Hause kam ich an einem alten Haus vorbei, vor dessen Kellereingang die amerikanische Flagge hing. Es war der Club der Kriegsveteranen und an diesem Abend legte ein DJ auf. Drinnen tanzten die Leute nach Motown Songs. Die meisten waren über 60 und schwarz. Betty und Bob machten Platz an ihrem Tisch und kamen gleich zur Sache.
Obama müsse gewinnen, sagte Betty entschieden. Weil er schwarz ist und die Kids ein Vorbild brauchen. Weil die Innenpolitik und das Soziale jetzt wichtiger seien als noch so ehrenhafte Kriege. Und weil wir mit Romney nicht zurück ins Mittelalter wollen, wo Frauen und Schwarze keine Chancen haben. Und wenn Obama nicht gewinnt? Oh, dann kommen wir nach Deutschland, sagen die beiden lachend. Ich erschrak. Plötzlich waren Nazis, NSU und die „befreiten Zonen“ wieder da. Ich hatte sie für einen Moment vergessen.
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