Barack Obama
Schon jetzt historisch
Ob Barack Obama auch als ein großer Präsident der Vereinigten Staaten in die Geschichte eingeht, wird sich in seiner zweiten Amtszeit auch in der Außenpolitik entscheiden.
In die Geschichte wird Barack Obama auf jeden Fall eingehen: Er ist der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten, und allein deshalb ist seine Präsidentschaft historisch. Übrigens ist er erst der zweite Demokrat seit dem Krieg, den die Wähler mit zwei vollen Amtszeiten betrauen wollten. Aber wird Obama, Gesundheitsreform hin oder her, später auch als großer Präsident gewürdigt werden?
Ob das so ist, könnte sich zum einen auf dem Feld der Haushalts- und Finanzpolitik entscheiden. Wenn er es fertigbringt, seiner Rhetorik der überparteilichen Zusammenarbeit auch die entsprechenden Taten folgen zu lassen; wenn er daran mitwirkt, die amerikanische Haushaltspolitik auf einen ebenso notwendigen wie vernünftigen Konsolidierungskurs zu bringen, dann wäre das mehr als eine kleine Anzahlung.
Die Vereinigten Staaten können nicht immer mehr Schulden anhäufen, ohne ihre Handlungsfähigkeit zu verlieren und ihren Weltmachtstatus einzubüßen. Obama muss deshalb Führungs- und Kompromissfähigkeit beweisen im Umgang mit einer Opposition, die ihre eigenen Prinzipien nicht bei erstbester Gelegenheit zu opfern gedenkt.
Das andere Feld, auf dem Obama Ruhm erwerben könnte, ist das der Außen- und internationalen Politik. Es wäre nicht untypisch für einen wiedergewählten Präsidenten, wenn er seinen Ehrgeiz jenseits der Landesgrenzen zu stillen suchte. Obama hat zwar immer wieder beteuert, dass das Land, das er wiederaufbauen wolle, Amerika sei – das ist als Metapher seiner Prioritäten zu verstehen, schließlich spielte Außenpolitik während des Wahlkampfs so gut wie keine Rolle.
Aber die Welt wird Obama nicht den Gefallen tun und ihn in Ruhe seine „To do“-Liste abarbeiten lassen. Sie wird ihn möglicherweise ungleich mehr fordern als während der ersten vier Jahre. Wer weiß, vielleicht kommt ihm das sogar zupass, einfach deshalb, weil die Machtverhältnisse in Washington sind, wie sie sind.
Im Mittleren Osten warten viele Konflikte auf Obama – warten in dem Sinne, dass sie zu eskalieren oder sich auszuweiten drohen. Da ist der Bürgerkrieg in Syrien, der in einen Abnutzungskrieg überzugehen droht und in dem jetzt Kräfte eine Rolle spielen, denen man nach einem Sturz des Regimes Assad nicht das Terrain überlassen möchte. Und da ist der Atomkonflikt mit Iran. Obama hat mehrfach bekundet, dass er eine nukleare Bewaffnung Irans nicht hinnehmen werde; zudem sei eine Strategie der Eindämmung keine Option. Also dürfte er noch einmal versuchen, die iranische Führung auf dem Weg direkter oder indirekter Verhandlungen, gepaart mit Sanktionen, zur Aufgabe ihres Programms zu bewegen. Sollte das scheitern, wird sich die Frage eines militärischen Einsatzes neu und dann wirklich stellen. Die Hoffnung, Obama werde die Antwort mit Nein beantworten und Israel in die Schranken weisen, könnte sich als Selbsttäuschung erweisen.
Vielleicht wird er sich dennoch daran erinnern, dass er einmal mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden ist. Welk sind die Vorschusslorbeeren geworden. Warum also nicht noch einmal in einen israelisch-palästinensischen Ausgleich investieren? In dem früheren Präsidenten Clinton hätte er auch einen Vermittler von Gewicht und mit Charisma.
In den kommenden Jahren werden die Vereinigten Staaten weiterhin große Aufmerksamkeit der Entwicklung in China widmen. Das ist logisch, schließlich gibt es in Peking eine neue Führung, und es entspricht der strategischen Grundausrichtung. Der Aufstieg Chinas und die Entwicklung anderer Länder berühren die Interessen Amerikas auf fundamentale Weise. Dass Obamas erste Auslandsreise nach der Wahl nach Asien führt, unterstreicht die Bedeutung dieser Region.
Mehr Empathie für Europa?
Und was ist mit dem „alten Europa“? Obama ist kein Atlantiker, und das wird er auch nicht werden. Man muss nicht darüber jammern, dass Amerika den Fokus auf den Mittleren Osten und auf den asiatisch-pazifischen Raum richtet. Aber ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und Empathie könnte es geben.
Vor allem könnten endlich die Verhandlungen über eine atlantische Freihandelszone beginnen. Von einem großen atlantischen Wirtschaftsraum ginge ein solcher Wachstumsimpuls aus, dass man sich fragt, warum die Sache noch nicht ernsthaft in Angriff genommen wurde. Ein solches Abkommen würde das atlantische Verhältnis, das doch in die Jahre gekommen ist, auch politisch unter Dampf setzen und dynamisieren.
Den Jubel in Europa über seine Wiederwahl könnte Obama so zurückzahlen. Er müsste nur sagen: Ja, ich will! Die Europäer wollen schon lange.
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