America: All Alone in the Security Council

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USA stehen alleine im Sicherheitsrat

Von Michael Borgstede

Israels Siedlungspolitik setzt Washington unter Druck: Dass die USA eine UN-Resolution verhinderten, war keineswegs eine Überzeugungstat. Im Westjordanland gewinnen die Hamas-Terroristen an Zuspruch.

Zunächst hatten die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrates wohl gehofft, sich auf eine gemeinsame Resolution zum israelischen Siedlungsausbau einigen zu können. Doch daraus wurde nichts.

Nur kurz zuvor hatte man im Außenministerium in Washington ungewöhnlich deutliche Worte gefunden: Man sei “zutiefst enttäuscht” darüber, dass Israel immer wieder “dieses Muster provokanten Verhaltens” an den Tag lege und so zunehmend die Möglichkeit einer friedlichen Lösung des Nahost-Konfliktes gefährde, sagte Sprecherin Victoria Nuland.

Washington war nie so isoliert

Nicht viel anders klang das im gemeinsamen Statement der vier europäischen Mitglieder des UN-Gremiums, das vom britischen UN-Botschafter Sir Mark Lyall Grant nach der monatlichen Sitzung zum Nahost-Konflikt verlesen wurde. Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Portugal zeigten sich “extrem besorgt” über die israelischen Pläne, hieß es.

Die Zwei-Staaten-Lösung sei von einem “systematischen weiteren Siedlungsausbau” gefährdet. Die Baugenehmigungen stellten Israels Verhandlungswillen infrage, stünden den internationalen Bemühungen, den Friedensprozess neu zu beleben, diametral gegenüber und seien “nach internationalem Recht illegal”.

Die USA sollen auf die europäische Erklärung mit Verärgerung reagiert haben: Nicht, weil man das in der Sache in Washington anders sieht, sondern weil von 15 Mitgliedern des Sicherheitsrates nur die Vereinigten Staaten ihren Verbündeten im Nahen Osten schützten. So isoliert hatte Washington im Sicherheitsrat noch nie dagestanden.

Fast täglich neue Bauvorhaben angekündigt

Tatsächlich werden in Jerusalem fast täglich neue umstrittene Bauvorhaben angekündigt. Gerade hat ein Bauausschuss in Jerusalem den Bau von 2610 Wohnungen in einer neuen jüdischen Siedlung im arabischen Osten der Stadt genehmigt.

Givat HaMatos wäre dann die erste Neugründung eines jüdischen Viertels in der Gegend seit 1997. Offiziell liegt das heute noch von wenigen Juden und Arabern in Containern bewohnte Gebiet innerhalb der Stadtgrenzen von Jerusalem.

Allerdings hat Israel die Grenzen nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 eigenmächtig weit ins Westjordanland hinein verschoben.

Pläne bedrohen Zwei-Staaten-Lösung

Der Bau von Givat HaMatos würde auch im Süden der Stadt eine Anbindung des Westjordanlands an den arabischen Ostteil Jerusalems fast unmöglich machen.

Ebenso wie der ebenfalls jüngst angekündigte Bau von bis zu 4000 Wohneinheiten im fast 50 Quadratkilometer großen Gebiet E1 zwischen der Heiligen Stadt und der Siedlung Maale Adumim den territorialen Zusammenhang eines zukünftigen Palästinenserstaates zumindest erheblich erschweren würde.

1500 Wohneinheiten sollen zudem im ultraorthodoxen Stadtteil Ramat Schlomo entstehen, der im Norden der Stadt einst auch Teil des Westjordanlands war. Über den Bau von 1000 Wohnungen in Gilo wird noch beraten, in weiteren Siedlungen wurden 3000 Wohnungen genehmigt.

Ausbau: Israels Reaktion auf Abbas’ Alleingang?

Der Ausbau der Siedlungen soll nach israelischen Angaben auch eine Reaktion auf den palästinensischen Alleingang vor der UN-Vollversammlung sein: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte in New York mit überwältigender Mehrheit eine Aufwertung des palästinensischen Beobachterstatus erreicht.

Palästina ist aber immer noch kein vollwertiger Mitgliedsstaat. Der Stadtratsabgeordnete Jair Gabai sagte im Radio, die Stadtverwaltung habe sogar bewusst noch 200 Wohneinheiten mehr in Givat HaMatos genehmigt, als ursprünglich vorgesehen waren: “Die Zahl der Wohneinheiten zu erhöhen ist unsere Antwort auf den internationalen Druck”, sagte er.

Während dieser Zusammenhang im heimischen Wahlkampf immer wieder betont wird und auch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Interview mit Morgenpost Online jüngst bekräftigt wurde, versuchte Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen, Ron Prosor, die Welle von Baugenehmigungen als einen bürokratischen Selbstläufer abzutun.

Er forderte die Palästinenser auf, ohne Vorbedingungen an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Das eigentliche Problem seien nicht die Siedlungen, sondern die Weigerung der Palästinenser, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen, ihr Beharren auf der Umsetzung des Rückkehrrechts für palästinensische Flüchtlinge sowie der Terrorismus und die andauernde Hetze.

Hamas gewinnt Zuspruch im Westjordanland

Tatsächlich hat eine palästinensische Umfrage nach der israelischen Militäraktion in Gaza vom vergangenen Monat ergeben, dass 88 Prozent der Palästinenser im “bewaffneten Kampf” die beste Methode zur Verwirklichung ihrer Unabhängigkeit sehen. Ausgerechnet im Westjordanland hat die islamistische Hamas demnach an Popularität stark gewonnen.

Im Kontext vergangener Umfragen scheint das Ergebnis aber nicht so sehr auf einen prinzipiellen Verhandlungsunwillen der palästinensischen Mehrheit hinzudeuten, sondern auf eine gewisse Resignation: Im Mai 2011 wollten noch 59 Prozent aller Palästinenser im Westjordanland sofortige Verhandlungen mit Israel, ein Jahr später waren es 52 Prozent, und jetzt liegt die Ziffer nur noch bei 43 Prozent.

Frustration mit dem Siedlungsbau und die Erkenntnis, dass die gewaltlose Taktik der Palästinenserführung in Ramallah in Israel weder Sympathien weckt noch Verhandlungsbereitschaft fördert, dürften dazu beigetragen haben.

In Israel sieht es kaum anders aus: Sogar unter den Wählern der linken Arbeitspartei lehnen zwei Drittel eine Teilung Jerusalems ab.

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