Präsident Obama verhandelt im Budgetstreit wieder mit den Republikanern. Beim Treffen im Weißen Haus präsentierte er jedoch keinen Kompromissvorschlag. Aber Obama hat noch eine weitere Option.
Der Zeitplan steht einigermaßen fest: Am Sonntag dürfte zunächst der Senat und spät am Abend der Kongress über einen Vorschlag zur Vermeidung des “Fiscal Cliff”, des fiskalpolitischen Absturzes der USA, abstimmen. Doch völlig unklar ist weiterhin, wie dieser Vorschlag aussehen wird, der Steuererhöhungen von 536 Milliarden Dollar (405 Milliarden Euro) und Etatkürzungen von 110 Milliarden Dollar (83 Milliarden Euro) zum 1. Januar stoppen soll.
Um eine Lösung zu suchen, nahm am Freitag der vorzeitig vom Hawaii-Urlaub heimgekehrte Präsident Barack Obama die Verhandlungen mit den ebenfalls nach Washington zurückbeorderten Spitzen der Fraktionen in Senat und Repräsentantenhaus wieder auf. Eine halbe Stunde nach Beginn des vorerst letzten Gesprächs dazu im Weißen Haus am Freitagabend berichtete jedoch der Fernsehsender CNN, Obama habe keine neuen Kompromissvorschläge präsentiert. Der Sender berief sich auf eine anonyme informierte Quelle.
Nach Angaben von Regierungsbeamten endete das Treffen bereits nach einer Stunde. Man habe lediglich verabredet, dass der von Demokraten beherrschte Senat einen Gesetzentwurf vorbereiten soll, berichtete CNN weiter. Daran sollten Demokraten und Republikaner mitarbeiten. Der demokratische Fraktionschef im Senat, Harry Reid, sagte, er sei optimistisch, dass doch noch eine Lösung möglich sei. Bis Sonntag solle der Entwurf vorliegen.
Die Plötzlichkeit und Wucht des Gesamtpaketes von mehr als 640 Milliarden Dollar, die der Konjunktur auf einen Schlag entzogen würden, drohen die USA in die Rezession zu stoßen und die endlich auf 7,7 Prozent gesunkene Arbeitslosenquote wieder rapide steigen zu lassen, fürchten führende Ökonomen.
Verwässerte Mixtur
Weil eine Mehrheit auch in dem von den Republikanern dominierten Repräsentantenhaus notwendig ist, muss es eine sehr verwässerte Mixtur zweier aus ideologischen Gründen gegeneinander in Stellung gebrachter Konzepte geben: Präsident Obama will zunächst die Steuern für Besserverdiener anheben. Er bietet auch umfangreiche Etatkürzungen an, obwohl deren Details noch unscharf sind.
Die strukturellen Reformen der Sozialprogramme Medicare (Gesundheitsversorgung für Rentner) und Social Security (Rente) wollen die an dieser Stelle ausgesprochen zögerlichen Demokraten hingegen aufs neue Jahr vertagen.
Der Republikaner John Boehner als Sprecher des Repräsentantenhauses konnte seine eigene Partei nicht einmal hinter seinen “Plan B” versammeln, nämlich den Vorschlag, zumindest Einkommensmillionären höhere Steuersätze zu verordnen. Sein Lager setzt stattdessen auf radikale Etateinschnitte, von denen lediglich das Pentagon weitgehend ausgenommen bleiben soll.
Kurz vor Weihnachten war Boehner immerhin ein Stück auf den Präsidenten zugekommen mit dem Angebot, die Steuersätze für die Millionäre anzuheben. Dass ihm die Fraktion die Gefolgschaft versagte, wird in Washington recht drastisch als “Entmannung” des Politikers aus Ohio gewertet.
Obama hatte Bereitschaft zum Kompromiss demonstriert
Obama seinerseits hatte die Bereitschaft zum Kompromiss demonstriert, indem er die Steuern nicht mehr ab der im Wahlkampf verfochtenen Grenze von 250.000 Dollar Jahreseinkommen erhöhen wollte, sondern erst ab 400.000 Dollar. Einen Verzicht auf jede Steuererhöhung kann sich Obama nicht leisten, will er nicht schon vor dem Beginn seiner zweiten Legislatur am 21. Januar ausgesprochen geschwächt dastehen.
Die Demokraten dürften ihrem Präsidenten aber mutmaßlich sogar dann folgen, wenn er die Grenze nochmals anheben würde, etwa auf 500.000 Dollar. Im Repräsentantenhaus ließe sich dafür mutmaßlich sogar eine Mehrheit finden. Aber in der Republikaner-Fraktion selbst ist dies unwahrscheinlich, obwohl Fraktionschef Eric Cantor immer wieder versichert hat, er unterstütze Boehners Vermittlungsversuche. Damit bliebe eine Mehrheit des “Houses” denkbar, der nur eine Minderheit der Republikaner ihre Zustimmung geben würde.
Ein anderes Szenario: Bis Sonntag gibt es keine Einigung. Dann treten zum 1. Januar die Steuererhöhungen und Etatkürzungen automatisch in Kraft. Aber bereits am Montag, dem Silvestertag, schlägt der Präsident massive Steuerkürzungen vor, die untere Einkommensschichten und vor allem den Mittelstand betreffen, Besserverdienende jedoch aussparen. Dann wäre es an den Republikanern, sich zu erklären.
Wenn sie zustimmen, haben sich die Demokraten durchgesetzt. Wenn sie sich verweigern, müssen die Republikaner der Öffentlichkeit vermitteln, warum sie Nein sagen zu den wohl größten Steuererleichterungen seit Ronald Reagan.
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