Obama Wins Round One, but America Loses

Edited by Gillian Palmer

 

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Etappensieg für Obama – Niederlage für Amerika

Von Clemens Wergin

01.01.13

Die Demokraten müssen ihren Wählern die bittere Wahrheit verkünden, dass der amerikanische Haushalt mit dem, was die breite Masse an Abgaben zu zahlen bereit ist, schlicht nicht finanzierbar ist.

Amerikas Politiker mögen es gerne dramatisch: Erst drei Stunden vor Neujahr und dem Inkrafttreten der automatischen, schmerzhaften Budgetkürzungen haben sich Demokraten und Republikaner auf einen Kompromiss geeinigt. Allerdings auf keinen, der Amerikas Fiskalprobleme tatsächlich lösen würde.

Tatsächlich wurden nur einige vorläufige Maßnahmen ergriffen, wie etwa Steuererhöhungen für die reichsten Amerikaner. In zwei Monaten folgt dann der nächste Moment der Wahrheit. Für anhaltende Spannung ist also gesorgt.

Der ideologische Graben

Die Einigung im letzten Moment ist jedoch nicht allein ein Ergebnis effektvoller Inszenierung durch Amerikas Parteien, die helfen soll, der eigenen Basis vor Augen zu führen, dass man bis zuletzt alles versucht und dann nur eingelenkt hat, um die Nation vor einer Katastrophe zu bewahren. Tatsächlich sind Amerikas Haushaltsprobleme so groß und komplex und der ideologische Graben zwischen Demokraten und Republikanern ist so tief, dass eine umfassende Einigung in der kurzen Zeit nach der Präsidentenwahl kaum möglich war.

Vor allem, weil die vom Wahlsieg Obamas berauschten Demokraten offenbar noch nicht willens sind, die zur Haushaltssanierung unabdingbaren Einschnitte bei Sozialleistungen zu akzeptieren. Tatsächlich sind es diesmal die Republikaner gewesen, die Barack Obama weit entgegengekommen sind und die damit diesen vorläufigen Kompromiss ermöglicht haben.

Seit 1990 haben die Republikaner keiner Steuererhöhung mehr zugestimmt. Nun wollen sie sogar die größte Steuererhöhung seit 1942 mittragen, die vor allem die wohlhabendsten Amerikaner treffen wird. Da am 1.1.2013 ansonsten die unter George W. Bush beschlossenen Steuererleichterungen für die Mittelschicht ausgelaufen wären, standen die Republikaner vor einem Dilemma: Sie wollten sich nicht vorwerfen lassen, die Mittelklasse zu schädigen, nur um das eine Prozent der reichsten Amerikaner zu schützen. In diesem Fall hatte Obama den längeren Hebel.

Was wie ein Etappensieg für Präsident Obama aussieht, ist tatsächlich jedoch eine vorläufige Niederlage für Amerika sowie für das Realitätsprinzip in der amerikanischen Politik. Denn tatsächlich ist der aus den Fugen geratene amerikanische Haushalt nicht allein mit Steuererhöhungen für eine sehr kleine Gruppe der Gesellschaft ins Lot zu bringen, sondern nur mit Kürzungen bei den größten Ausgabenposten.

Im Kern ist Amerika europäisch

Und dazu gehören neben der Verteidigung vor allem die galoppierenden Kosten des Sozialstaates. Im Jahr 2012 haben die USA 44 Prozent der Staatsausgaben für die Sozialversicherung und für die Krankenversicherungen für Rentner (Medicare) und Arme (Medicaid) ausgegeben. Da auch die amerikanische Bevölkerung altert und immer mehr Menschen in den Genuss von Medicare kommen sind diese Systeme in Zukunft schlicht nicht mehr im bisherigen Umfang finanzierbar.

Im Kern ist Amerika nämlich europäischer, als die Europäer und die Amerikaner selbst glauben. Auch jenseits des Atlantiks hat die schwere Wirtschaftskrise langfristige Strukturdefizite in der Staatsfinanzierung aufgetan. Hier wie dort gleichen sich die Phänomene: in den hoch entwickelten, postmodernen Demokratien des Westens ist der Wunsch des Bürgers, soziale Wohltaten zu bekommen und zu behalten weit ausgeprägter als seine Bereitschaft, diese Ausgaben auch mit höheren Abgaben zu finanzieren.

Der Erkenntnis, dass es ohne eine Beschneidung der Sozialausgaben nicht gehen wird, ist Barack Obama bisher ebenso ausgewichen wie seine demokratische Partei. Deren ideologische Abwehr gegen entsprechende Kürzungen ist genauso hartnäckig wie die der Republikaner gegen Steuererhöhungen. In dieser Runde saßen die Demokraten am längeren Hebel und die Republikaner mussten nachgeben.

In zwei Monaten sieht das anders aus. Dann müssen auch die Demokraten ihren Wählern endlich reinen Wein einschenken und eingestehen, dass der amerikanische Haushalt mit dem, was die breite Masse der Bürger an Abgaben zu zahlen bereit ist, schlicht nicht finanzierbar ist. Das, worauf sich beide Seiten kurz vor dem Beginn des neuen Jahres geeinigt haben, ist deshalb nur ein kleiner Anfang. Die schwierigste Wegstrecke hin zur Haushaltskonsolidierung steht den USA noch bevor.

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