Bei der Sicherheitskonferenz in München hat US-Vizepräsident Joe Biden betont, Europa sei Amerikas engster Partner. Tatsächlich wurden auf beiden Seiten aber viele Hoffnungen enttäuscht. Es herrscht eine Zutrauenskrise.
Amerikas Vizepräsident hat das Selbstverständliche ausgesprochen: Europa ist der wichtigste Verbündete, der engste Freund, der größte Wirtschaftspartner, den die USA haben. Die eigentliche Frage sollte also sein: Warum musste Joe Biden überhaupt daran erinnern?
Das Verhältnis ist in einer Krise. Seit anderthalb Jahren wird Barack Obamas Satz zitiert: Amerika ist eine pazifische Macht.
Daran war, als er ihn 2011 in Australien aussprach, zwar wenig Neues. Die USA sind seit Jahrzehnten in Asien engagiert. Der japanische Überfall auf ihre Flottenbasis Pearl Harbor hat sie in den Zweiten Weltkrieg eintreten lassen – und nicht ein Ereignis in Europa. Dennoch verlangte es viele in Europa nach einem ebenso klaren Bekenntnis zum Atlantik. Biden hat das nun mehr als erfüllt. Amerika ist auch eine atlantische Macht. Mehr noch: Europa ist für die USA der unverzichtbare Partner, an den sie sich zuerst wenden, wenn sie Unterstützung suchen.
Amerikaner vergleichen das Bedürfnis vieler Europäer nach Rückversicherung halb scherzhaft, halb schuldbewusst mit einer langen Ehe, über der plötzlich der Verdacht hängt, es gebe da eine jüngere Geliebte. Dann tue der Ehemann gut daran, der Ehefrau zu versichern, wie schön sie sei und dass er sie immer noch liebe.
Der plastische Vergleich hinkt. Amerika und Europa leiden nicht unter einer Vertrauenskrise im klassischen Sinne. Sie fühlen sich nicht betrogen. Dies ist eine Zutrauenskrise. Die USA und die EU haben gemeinsame Interessen und brauchen sich. Doch sie sind nicht mehr überzeugt, dass der Partner auf der anderen Seite des Atlantiks zuverlässig liefern wird, was im Dienste dieser Interessen nötig wäre. So rechtfertigen sie ihre eigene Mutlosigkeit.
Es gibt viele Beispiele für enttäuschte Hoffnungen, mitunter auch für Versagen. Die Wahrnehmung ist jedoch oft negativer als die Realität. Amerika schimpft über den schleppenden Umgang mit der Eurokrise. Doch mussten US-Finanzexperten deshalb seit vier Jahren immer wieder das nahe Auseinanderbrechen des Euro vorhersagen? Die USA haben bisher noch weniger unternommen, um ihre Schuldenkrise anzugehen. Bankrott ist Amerika aber deshalb noch lange nicht.
Libyen ist für Amerikaner ein Beispiel, dass den Europäern, wenn sie mal selbst eingreifen wollen, nach kurzer Zeit die Munition ausgeht und die USA aushelfen müssen. In Mali bewundern sie die Entschlossenheit Frankreichs, schütteln aber den Kopf über das deutsche Zaudern. Umgekehrt wirken Amerikas Reaktionen auf den Umbruch in Arabien auf Europäer unentschlossen. Hier wie da hilft die Kritik am Partner, die eigene Unzulänglichkeit zu beschönigen.
Da haben sich zwei Alliierte über Jahre vernachlässigt und scheinen kaum mehr zu wissen, was sie aneinander haben – zum Beispiel, dass sie in der Summe aus Handel, Dienstleistungen und Direktinvestitionen das mit Abstand größte Wirtschaftsbündnis der Erde sind und selbst kleine Wachstumsraten in ihrem Austausch ihnen mehr Nutzen bringen als hohe in Asien. Das aktuellste Beispiel für die Zutrauenskrise ist das umfassende Partnerschafts- und Freihandelsabkommen, das Biden und andere nun so emphatisch loben. In Wahrheit hält sich das Weiße Haus mit einem klaren Bekenntnis zurück, weil es zweifelt, ob 27 EU-Staaten sich auf ein Verhandlungsmandat einigen und es zügig umsetzen können. Und Europa fürchtet, dass Obama anderen Projekten und Asien Priorität vor Europa gibt. Erfolg hat aber nur, wer sich traut.
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