Obama's Lack of Interest Is Europe's Cue

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Obamas Desinteresse am Nahen Osten fordert Europa

Von Alan Posener

20.03.13

US-Präsident Obama hat kein außenpolitisches Projekt. Bald energieautark, haben die USA das Interesse am Nahen Osten verloren. Europa darf nicht mehr warten, es muss seiner neuen Rolle gerecht werden.

Amerikahasser haben es zurzeit schwer. Denn die USA tun fast nichts, wogegen sich zu demonstrieren lohnte. Das kommunistische Nordkorea droht mit einem Atombombeneinsatz: Amerika gähnt. Die iranische Theokratie kommt dem Besitz einer Atombombe Tag für Tag näher: Amerika tut nichts. Syrien zerreißt sich in einem blutigen Bürgerkrieg: Amerika schüttelt den Kopf.

Islamisten drohen Mali zu überrennen und an die Uranminen des Niger zu kommen: Frankreich schickt Soldaten, Amerika schaut wohlwollend zu. Der Irak wurde geräumt, Afghanistan wird geräumt. Dort verhandelt man mit den Taliban, in Ägypten mit der Muslimbruderschaft. Und wenn Präsident Obama nach vier Jahren endlich Israel besucht, betonen alle Kommentatoren sein “frostiges” Verhältnis zu Premierminister Benjamin Netanjahu.

Die Episode George W. Bush wurde abgewickelt, und die Träume der “Neocons” von einem demokratischen Imperium wirken im kalten Licht des Morgens nach der Party so unwirklich wie die der Ökonomen von einem krisenfreien Kapitalismus. Unter Barack Obama hat sich außenpolitisch eine neue Bescheidenheit etabliert. Man wolle “lieber nation building zu Hause betreiben”, sagt der Präsident.

Fragt man seine Berater, welches große außenpolitische Projekt die Administration verfolge, hüsteln sie und schauen auf ihre Schuhe. Die Wahrheit ist: Er hat keines. Obama hat zwei Jahre Zeit, um die Dinge zu erledigen, die er erledigen will. Dann kommen die “Midterms”, die Kongresswahlen. Sein Ziel ist, das Abgeordnetenhaus den Republikanern abzujagen. Und mit Kriegen gewinnt man heute auch in den USA keine Wahlen.

Außenpolitische Verwicklungen stören nur

“It’s the economy, stupid!” Sie ist noch fragil. Zwei Prozent Wachstum sind viel besser als in der Euro-Zone, aber nicht genug, um die Staatsschulden abzubauen. Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen müssen her. Zu Jahresbeginn hat Obama einige – wenn auch eher symbolische – Steuererhöhungen dem republikanisch dominierten Abgeordnetenhaus abgerungen.

Dafür haben ihm die Abgeordneten jetzt ein Sparprogramm aufgedrückt, das für jeden zusätzlichen Steuerdollar fast drei Dollar Kürzungen vorsieht. Der Präsident hat das rhetorisch bekämpft und praktisch geschluckt: Denn die von ihm eingesetzte Kommission zur Haushaltspolitik hatte 2010 genau dieses Einnahmen-Ausgaben-Verhältnis empfohlen.

Nach den “Midterms” schaut alles bereits auf die Kandidaten für die Wahl 2016. Der erste schwarze Präsident will seinem Nachfolger ein Land hinterlassen, das wirtschaftlich stärker, sozial gerechter und dennoch haushaltspolitisch besser aufgestellt ist als bei seiner Amtsübernahme. Außenpolitische Verwicklungen stören da nur. Sehr gern hätte man eine Freihandelszone mit der Europäischen Union. Mehr ist nach Ansicht des Weißen Hauses außenpolitisch nicht drin.

Wenn es um sicherheitspolitische Herausforderungen geht, lauten die Fragen aus dem Weißen Haus: Ist es überhaupt machbar? Wie viel kostet es? Und: Können wir es in dieser Legislaturperiode zu Ende bringen? Bei Syrien lautet die Antwort auf die erste Frage: nein; beim Iran die Antwort auf die erste: vielleicht, auf die zweite: viel. Und beim Konflikt zwischen Israel und den Arabern lautet die Antwort auf die erste: wahrscheinlich nicht, auf die zweite: sehr viel, und auf die dritte: nie und nimmer. Darum wird es Obama in allen drei Fällen vorziehen, nichts zu machen. Diese neue Bescheidenheit muss er in Israel verkaufen.

Europa sollte nicht auf Obama warten

Und anderswo auch. Obamas Leute verweisen gern auf den Libyen-Krieg, wo die Initiative von Frankreich und Großbritannien ausging und die USA ein Konzept entwickelten, das sie “leading from behind” nennen: Führen aus dem Hintergrund. Konkret bedeutete das: Als den Franzosen und Briten die Bomben und Raketen ausgingen und der französische Flugzeugträger “Charles de Gaulle” mitten im Einsatz zu Reparaturen nach Toulon zurückkehren musste, lieferten die USA die Feuerkraft, die der Freiheitsrhetorik der Europäer erst den nötigen Nachdruck verlieh.

Europa, so heißt es in Washington, sei im Kalten Krieg ein “Konsument von Sicherheit” gewesen, nun müsse es ein “Produzent von Sicherheit” werden. Zumal die unmittelbare Umgebung Europas – Nordafrika, der Nahe und Mittlere Osten – für die USA immer unwichtiger wird. Bis Ende des Jahrzehnts will Amerika energieautark sein, spätestens in 15 Jahren Öl und Gas exportieren. Schon jetzt hat China den USA den Rang als weltgrößter Öl- und Gasimporteur abgelaufen, den zweiten Platz nimmt bald Europa ein, das, wie die Vordenker der Administration sagen, “größere Erfahrungen bei der Stabilisierung und Demokratisierung” habe.

Kurz und gut: Wir sollten nicht auf Obama warten. Wie Godot in Samuel Becketts Drama wird Obama nicht kommen, wenn es um die Probleme Europas geht. Das Viereck, dessen Seiten von Weißrussland im Norden bis Ägypten im Süden, von Aserbaidschan im Osten bis Marokko im Westen verlaufen, gilt den Amerikanern als Europas natürliche Einflusssphäre.

Amerika hat die multipolare Welt akzeptiert

Freilich ist das eine Sphäre, in der Europas Einfluss dank der Euro-Krise gerade in dem Augenblick schwächer geworden ist, da mit dem “arabischen Frühling” die alte Ordnung ins Rutschen kam. Nicht nur in Washington, sondern auch in Kairo, Tel Aviv und Teheran hat man das deutsche Nein zum Libyen-Einsatz und zu Waffen für die syrischen Rebellen registriert und geschlussfolgert, dass die “Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik” nur eine Phrase ist.

Dort sieht man auch, dass jene europäischen Länder, die den politischen Willen zum Militäreinsatz haben, wie etwa Großbritannien, Frankreich oder die Niederlande, ihre Streitkräfte kaputtsparen, während Deutschland zwar die Mittel, jedoch kaum Appetit auf Auslandseinsätze hat. Nach wie vor aber ist die Bereitschaft, Worten auch Taten folgen zu lassen, die Währung, mit der für politischen Einfluss bezahlt wird. Und diese Währung heißt zurzeit nicht Euro. Dollar jedoch auch nicht.

Während des zweiten Golfkriegs beschworen Gerhard Schröder und Jacques Chirac eine multipolare Welt, in der Europa einen entscheidenden Pol darstellen würde. Wen das Schicksal bestrafen will, dem erfüllt es seinen Wunsch. Amerika hat unter Barack Obama die Bescheidenheit entdeckt und die multipolare Welt akzeptiert. Nun müssen die Europäer ihrer neuen Rolle gerecht werden.

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