Die USA stehen vor gewaltigen Herausforderungen: Alleine die Staatsschulden sind auf 16,7 Billionen Dollar angestiegen. Doch statt zu handeln, flüchtet sich Präsident Obama in belanglose Petitessen.
Am Abend des Tages, an dem Barack Obama zu einem Staatsbesuch nach Mexiko aufbrach, machte sich der Komiker Jay Leno zu Anfang seiner “Tonight Show” über den von ihm ansonsten geschätzten Präsidenten lustig. Nach Mexiko zu fahren, um dort seine Einwanderungspolitik zu erklären, sei so sinnvoll, wie nach San Francisco zu fliegen, um für die Schwulenehe zu werben.
Von den etwa elf Millionen illegalen Einwanderern, die derzeit in den USA leben und arbeiten, kommt mehr als die Hälfte aus Mexiko. Obama möchte sie legalisieren – einerseits, um ein innenpolitisches Problem zu entschärfen, andererseits, um die Beziehungen zu Mexiko zu normalisieren. Obwohl die mehr als 3000 Kilometer lange Grenze zwischen den USA und Mexiko zum Teil eingezäunt ist und schwer bewacht wird, überwinden jeden Tag Hunderte, wenn nicht Tausende von Mexikanern alle Hindernisse auf dem Weg in eine scheinbar bessere Welt, (Link: http://www.welt.de/113549693) in der immer noch Putzfrauen und Tellerwäscher gebraucht werden.
Die Regierung des mexikanischen Bundesstaates Yucatán hat sogar ein Handbuch veröffentlicht, in dem die Mexikaner darüber aufgeklärt werden, wie sie als “Einwanderer ohne Papiere” in den USA am besten zurechtkommen, wie sie einen Job finden, ihre Kinder auf Schulen anmelden, Geld nach Hause schicken können und was sie machen sollten, wenn sie krank werden, ohne krankenversichert zu sein.
Viele Amerikaner finden es keine gute Idee, “Illegale” zu legalisieren, eine solche Maßnahme würde das Problem nicht lösen, sondern nur noch mehr Migranten ermuntern, ihr Glück jenseits der Grenze zu suchen.
Obama führt aus der zweiten Reihe
Jay Lenos Scherze über Obamas Trip nach Mexiko waren freilich noch harmlos verglichen mit der Art, wie Jon Stewart, ein gestandener Obama-Fan, den Präsidenten in seiner “Daily Show” regelrecht vorführte. Vor seiner ersten Wahl im Jahre 2008 hatte Obama erklärt: “Ich werde Guantánamo schließen.” Zwei Jahre später gab er als Präsident bekannt: “Wir werden Guantánamo schließen”; nach seiner Wiederwahl reichte es nur noch für ein kleinlautes “Ich glaube noch immer, dass wir es schaffen werden, Guantánamo zu schließen”. Stewart spielte die Aussagen Obamas nacheinander vor und kommentierte sie mit wenigen Worten und einigen mörderischen Grimassen.
Einen Tag später legte er nach. Diesmal ging es um Syrien und Obamas Drohung an das Regime in Damaskus, die USA würden den Einsatz von Giftgas nicht hinnehmen, Assad sollte sich hüten, diese “rote Linie” zu überschreiten. Kaum hatte der syrische Präsident das getan, wovor ihn der amerikanische Präsident gewarnt hatte, relativierte der seine eigenen Worte: Man müsse erst genau prüfen, wann, wo, von wem und in welchem Ausmaß Gas eingesetzt wurde, bevor man angemessen reagieren könne. Stewart kommentierte diesen Rückzieher mit einem verbalen Amoklauf, an dessen Ende von Obamas präsidialer Autorität gerade so viel übrig blieb, dass der Zuschauer nur die Wahl zwischen “lahmer Ente” und “Papiertiger” übrighatte.
Nun gehören Komiker und Satiriker wie Jay Leno und Jon Stewart nicht zum Umfeld der Republikaner, eher im Gegenteil. Barack Obama und seine Frau Michelle waren schon öfter sowohl bei Leno wie bei Stewart zu Gast und sind von beiden sehr zuvorkommend behandelt worden. Aber die beiden Showmaster haben auch ein feines Gespür für atmosphärische Veränderungen. Die Zeit der “Obamania” ist vorbei. Kommt unter bürgerlich-liberalen Großstadtamerikanern die Rede auf den Präsidenten, dann ist das Beste, was über ihn gesagt wird, der Satz: “He is leading from behind”, er führt aus der zweiten Reihe. Und fragt man sie, was der Mann im Weißen Haus während seiner Amtszeit geschafft habe, fällt die Antwort sehr knapp aus: “Obamacare”, eine Reform der Krankenversicherung.
Vom Visionär zum Mediator
Die wird am 1. Januar 2014 in Kraft treten, sorgt aber schon im Vorfeld für Verwirrung. Das Gesetz umfasst 2000 Seiten, die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen füllen mehr als 10.000 Seiten. Welchen Effekt die Reform auf die Qualität der gesundheitlichen Versorgung haben wird, vermag derzeit niemand zu sagen. Fest steht nur, dass sie den Steuerzahler Milliarden kosten wird.
Obama ist als ein Visionär angetreten, der alles anders und besser machen wollte: die Amerikaner über alle politischen und kulturellen Gräben hinweg mit sich selbst versöhnen, Guantánamo schließen, den Konflikt im Nahen Osten beenden, Afghanistan und den Irak befrieden und den Iran in seine Schranken weisen. Aber schon zu Anfang seiner Amtszeit hat er eine seltsame Vorliebe für belanglose Petitessen entwickelt.
Ende Juli 2009 lud er einen schwarzen Harvard-Professor und einen weißen Polizisten in den Garten des Weißen Hauses auf einen “Biergipfel” ein. Der weiße Polizist hatte den schwarzen Professor vorübergehend festgenommen, als dieser in sein eigenes Haus einzubrechen versuchte. Was sich schnell als ein lokales Missverständnis herausstellte, eskalierte zu einer nationalen Affäre, nachdem Obama sich der Sache annahm und bei einer Pressekonferenz erklärte, die Polizei habe “dumm gehandelt”.
Beim “Biergipfel” trat er als Mediator auf. Am Ende der 40 Minuten langen Show vor einer Hundertschaft von Journalisten gab er das Ergebnis bekannt: “Ich habe immer daran geglaubt, dass das, was uns zusammenbringt, stärker ist als das, was uns trennt.”
Keine staatsmännische Begabung
Und erst vor Kurzem lobte er in höchsten Tönen einen Basketball-Profi, der sich als schwul geoutet hatte. Das sei ein “aufrichtiges Statement eines guten Menschen, der nichts anderes will wie viele andere auch: so sein zu können, wie er ist …” Sind das die Probleme, mit denen sich der Präsident der USA persönlich beschäftigen muss, derweil die Staatsschulden während seiner Amtszeit von 11,9 auf 16,7 Billionen Dollar geklettert (Link: http://www.welt.de/109044343) sind und die Anzahl der Amerikaner, die Lebensmittelkarten beziehen, von 28 auf 48 Millionen gestiegen ist?
Man muss Obama zugutehalten, dass er einen bereits verschuldeten Laden übernahm und zwei Kriege führen musste, die er nicht angefangen hatte. Aber die Art, wie er seine Prioritäten festlegt, zeugt von keiner staatsmännischen Begabung. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres hat die Familie Obama dreimal Ferien gemacht. Was den Steuerzahler jedes Mal auch dann eine Unsumme kostet, wenn die Obamas bei Freunden logieren. Denn der Sicherheitsaufwand ist gewaltig und teuer. Zugleich bleibt das Weiße Haus für Besucher gesperrt, denn irgendwo muss ja gespart werden.
Barack Obama ist unter der Parole “Yes, we can!” angetreten. Es könnte gut sein, dass er in drei Jahren seine Amtszeit mit dem Resümee “No, I couldn’t!” beendet.
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