In Syrien eingreifen – ein unkalkulierbares Risiko
Von Jacques Schuster
17.05.13
Der Bürgerkrieg in Syrien muss beendet werden, heißt es. Das ist richtig. Doch wer in dieser Lage interveniert, dem droht ein Flächenbrand von gigantischem Ausmaß. Wollen wir die Folgen tragen?
Es gibt Krisen und Kriege, die sich nicht lösen und beenden lassen. Wer in sie eingreift, etwa um menschliche Tragödien zu verhindern, der handelt tugendhaft und töricht zugleich, der will Sodom zerstören und verwandelt es aus Versehen in ein großes Gomorrha. Der Erste Weltkrieg 1914 brach auf diese Weise aus. Was als Attentat in Serbien begann, wuchs zur “Urkatastrophe des Zwanzigsten Jahrhunderts” (Golo Mann).
Einhundert Jahre später birgt der Bürgerkrieg in Syrien ähnliche Gefahren. Ein Regime mordet einen Teil seiner Bevölkerung. Gleichzeitig massakrieren die Oppositionsgruppen die tatsächlichen oder vermeintlichen Anhänger dieses Regimes. Damit nicht genug wütet Al-Qaida zwischen Aleppo und As-Suweida, an Macht und Waffengewalt nur übertroffen von den Terroristen der Hisbollah.
Welcher westliche Staat möchte in dieser Lage Partei ergreifen? Wem will er zur Hilfe eilen? Welche syrische Gruppe steht dem europäisch-amerikanischen Lager nahe? Ist es sicher, dass sie die Mehrheit im Land vertritt? Und wenn sie die Mehrheit darstellt, ist es gewährleistet, dass diese eine stabile Ordnung schafft, in der die Menschenrechte gewahrt werden?
“Es geht doch um das Leid der Menschen! Diese Not muss gelindert werden”, ist ein Einwurf – und er ist gerechtfertigt. Doch was wären die Folgen einer Intervention? Mindestens eine Mittel- und eine Großmacht haben ein klares Bedürfnis, die Regierung des syrischen Präsidenten an der Macht zu halten. Die kleinere von ihnen, der Iran, wird alles daran setzen, einen militärischen Einsatz der Amerikaner mit Hilfe seiner Schergen und dem eigenen Geheimdienst in ein Inferno zu verwandeln, in denen Selbstmordanschläge so häufig wären wie die Sandstürme in der syrischen Wüste.
Russlands Interessen
Die Großmacht Russland ist schon jetzt eifrig dabei, den syrischen Machthaber mit modernsten Raketenabwehrsystemen zu versorgen, um den Flugzeugen und Schiffen der Nato die größtmöglichen Verluste zuzufügen. Nun hat Moskau sogar Kriegsschiffe ins Mittelmeer gesandt. Sie sollen der Welt zeigen, wie wichtig den Russen Damaskus ist und wie wenig es Gefallen daran findet, seinen letzten Verbündeten in der Region zu verlieren.
Sicher, Russland wird es nicht wagen, im Falle einer Intervention die Truppen der Nato anzugreifen. Doch es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte der Neuzeit, dass ein großer Krieg ausbricht, ohne dass ihn einer der Mitspieler tatsächlich angestrebt hätte. Ist der Westen bereit – sind wir bereit – dieses Risiko einzugehen?
Wollen wir Truppen nach Syrien entsenden und den Tod vieler unserer Soldaten, der wahrscheinlich ist, in Kauf nehmen? Es gibt Situationen, in denen alle Optionen ein Übel sind. Ein Ende des Bürgerkriegs, der irgendwann aus Erschöpfung seiner Kampfgruppen heraus erfolgen wird, ist das geringere.
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