Obama's Sought-After Guest

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Myanmars Präsident im Weißen Haus: Die USA verfolgen während des historischen Besuchs aus Südostasien vor allem geopolitische Interessen, denn kaum ein Land bietet derart viele Rohstoffquellen. Für Kritik an Menschenrechtsverletzungen dürfte deshalb vermutlich kaum Platz sein.

Burma war das letzte Problem, das die Diplomaten beider Länder aus dem Weg räumen mussten. Burma, so nennen die USA heute noch offiziell das Land, dem die damalige Militärjunta 1989 den Namen Myanmar (“schnelles und starkes Volk”) gab. Doch wenn US-Präsident Barack Obama am heutigen Montag Staatschef Thein Sein empfängt, wird auch er höchst offiziell von “Myanmar” sprechen.

Wie immer, wenn es um hohe Diplomatie geht, handelt es sich um Höflichkeit mit Hintergedanken: Dabei geht es nicht darum, dass erstmals seit 1966 – also während der Eskalationsphase des Vietnam-Kriegs – ein Oberhaupt des südostasiatischen Staates im Weißen Haus zu Gast ist. Auf der Agenda des Treffens, dem erst im November ein Besuch Obamas in Myanmar vorausgegangen war, stehen zwar dem Weißen Haus zufolge auch die Spannungen im Land und die Entwicklung der Demokratie. Aber letztlich verfolgen die USA während des historischen Besuchs handfeste geopolitische Interessen.

Zwischen Indien und China gelegen, den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt, ist Myanmar bislang noch keiner Einflusssphäre zuzurechnen. Erst 2011 begann die neue Regierung vorsichtig, das Land nach Jahren der Abschottung nach außen hin zu öffnen. Und auch intern wurden Reformen angestoßen: Präsident Thein Sein, der nach umstrittenen Wahlen vom Chef der Militärregierung zum Präsidenten wurde, lockerte die Zensur und liberalisierte die Wirtschaft. Er nahm außerdem den Dialog mit der Opposition unter Aung San Suu Kyi wieder auf und setzte politische Gefangene auf freien Fuß.

Geschäftsleute aus aller Welt drägen nach Myanmar

Thein Sein ist nun in der komfortablen Lage, sowohl von China als auch von den USA umworben zu werden. Dabei geht es sowohl um eine mögliche Rolle als Verbündeter im pazifischen Raum, auf den die Obama-Regierung ihre Außenpolitik explizit ausrichtet, als auch um wirtschaftliche Belange.

Öl, Erdgas, Zink, Kupfer, Seltene Erden, Edelsteine: Kaum ein Land bietet im Zeitalter der abnehmenden Reserven derart viele unerschlossene Rohstoffquellen. Noch fehlt die Infrastruktur für eine Erschließung, doch neben zahlreichen Backpackern drängen derzeit auch Geschäftsleute aus aller Welt ins Land. “Es wird am Anfang kein einfacher Ort sein, um Geschäfte zu machen, doch wir sehen eine langfristige Perspektive”, erklärte vor einiger Zeit Stuart Dean, der Südostasien-Chef des Industriekonzerns General Electric, – eine Strategie, die viele Firmen verfolgen.

Neben den Rohstoffen lockt mit den 60 Millionen Einwohnern auch ein potenziell gewaltiger Absatzmarkt, auch wenn nach Jahrzehnten der Diktatur die Konsumausgaben noch vernachlässigbar gering sind. In fünf Jahren, so versprach Thein Sein 2012, soll sich die Größe der einheimischen Wirtschaft allerdings bereits verdreifacht haben.

Vor allem in den letzten Jahren der Militärjunta, die praktisch seit 1965 über das Land herrschte, überzog der Westen das Land mit Sanktionen, während die Nachbarstaaten inklusive China dort investierten. Seit der heute 68-jährige Thein Sein 2011 zum Präsidenten wurde, das Militär politisch in den Hintergrund trat und Thein Sein erste demokratische Reformen einleitete, ist nun auch das Interesse des Westens wieder erwacht. Die meisten Sanktionen wurden inzwischen aufgehoben, mit Gesten wie die Entlassung von weiteren 21 politischen Gefangenen vor wenigen Tagen signalisiert die Regierung Myanmars ihren guten Willen.

Kritiker sehen in solchen Aktionen vor allem geschickte Polit-PR: Immer noch sollen 200 politische Gefangene in den Zellen des Landes sitzen. In mehreren Regionen kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen der Armee und zahlreichen Widerstandsgruppen.

100.000 Rohingya flohen wegen Gewalt durch Buddhisten

Zudem engagiert sich die Regierung in den Augen von Menschenrechtsorganisationen zu wenig, um die Gewalt von Buddhisten gegen die staatenlose muslimische Minderheit der Rohingya zu stoppen, in deren Folge mehr als 200 Menschen starben und mehr als 100.000 fliehen mussten. “Thein Seins Regierung hat wenig bis nichts getan, um die Morde und Übergriffe zu untersuchen und Menschen für diese Verbrechen verantwortlich zu machen”, bilanzierte jüngst David Mepham von Human Rights Watch und kam zu dem Ergebnis, dass der Westen die Sanktionen zu schnell aufgehoben habe.

Durch die andauernden ethnischen Konflikte und religiöse Gewalt sehen Experten mittlerweile den Reformprozess in Gefahr. Immerhin erklärte Thein Sein erst am Sonntag im Interview mit der Washington Post, das Militär werde immer eine große Rolle im Land spielen. Und auch die Bevölkerung ist unzufrieden, weil sie von den Neuerungen bislang wenig profitiert hat.

Auch wenn Barack Obama dies ansprechen dürfte: Allzu laute Kritik wird in Washington nicht zu vernehmen sein, hat das Wettrennen um die Gunst der Politiker in Myanmar doch noch einmal an Fahrt gewonnen. Seit einigen Wochen sucht China aktiv die Nähe der Opposition, die während der Junta-Zeit vor allem aus dem Westen Unterstützung erhielt. “In Peking schrillen die Alarmglocken”, heißt es in der Online-Ausgabe des renommierten irrawaddy-Magazins. “China beobachtet Washingtons Südostasien-Politik ganz genau – und unternimmt seinerseits Schritte, um seinen Einfluss in Burma zu wahren.”

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