Closing Guantanamo a Little

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Ein bisschen Guantánamo schließen

Von Martin Klingst

24.05.2013

Der US-Präsident verkündet eine Wende im Anti-Terror-Krieg. Doch seine Ankündigungen sind halbherzig und unglaubwürdig.

Dass der US-Präsident keine dramatische Kehrtwende in seiner Anti-Terror-Politik vollzog, schien ihm wohl selber klar zu sein. Als eine Zwischenruferin sich bei seiner Rede in der National Defense University über Barack Obamas Halbherzigkeit penetrant beschwerte und abgeführt wurde, sagte er: “Ihre Stimme ist es wert, gehört zu werden. Dies sind schwierige Dinge.”

Fast eine Stunde lang erklärte Obama am Donnerstag, wie er künftig Amerikas rabiaten Anti-Terror-Kampf zu mäßigen gedenke. In der Tat kündigte der Präsident Veränderungen seiner bisherigen Guantánamo-Politik an. Auch will er die international umstrittenen Drohneneinsätze gegen mutmaßliche Terroristen weit stärker einschränken und an klarere Regeln knüpfen. Doch der gute Wille und die vielen Worte Obamas können aber nicht verdecken, dass vieles ungeklärt bleibt.

Zur Erinnerung: Als Obama im Januar 2009 ins Weiße Haus einzog, versprach er, unverzüglich mit der radikalen Anti-Terror-Politik seines Vorgängers zu brechen. Rund vier Jahre später sitzen im Gefangenenlager Guantánamo aber immer noch 166 mutmaßliche Terroristen ein. Alle bis auf sechs ohne je vor ein Gericht gestellt worden zu sein.

Überdies hat kein anderer US-Präsident so viele mutmaßliche Terroristen ohne Prozess töten lassen. Auf Obamas Geheiß flogen der Geheimdienst CIA und das amerikanische Militär in Afghanistan und im Jemen, in Pakistan und in Somalia Hunderte von Angriffen mit unbemannten Drohnen. Ins Visier wurden die Führer von Al-Kaida und anderen Terrororganisation genommen, darunter auch vier US-Bürger. Ums Leben kamen dabei aber auch stets viele Zivilisten.

Drohneneinsätze wird es weiter geben

Der Präsident ließ in seiner Rede aber keinen Zweifel daran aufkommen, dass auch in Zukunft Amerika mit unbemannten Flugkörpern Jagd auf seine Feinde im Ausland machen wird. Die große Gefahr von Terrorangriffen ließe keine andere Wahl, so Obama, Amerika müsse sich verteidigen. Dank der modernen Drohnentechnik kämen zudem weit weniger Menschen ums Leben als bei einer groß angelegten Militäroffensive.

Immerhin hat der Präsident per Erlass nun für die Einsätze strengere Richtlinien angeordnet. Getötet werden dürfen nur noch solche mutmaßlichen Terroristenführer, die man nicht ohne enormes Risiko gefangen nehmen kann. Und die zugleich eine “dauerhafte und unmittelbare Gefahr” für das Leben von Amerikanern darstellten. Drohnenangriffe auf amerikanischem Boden und als eine bloße Vergeltungsmaßnahme sind sowieso verboten. Obama regte auch eine gerichtliche Überprüfung dieser Tötungseinsätze an.

Doch bei allen Ankündigungen ließ der ehemalige Lehrer für Verfassungsrecht viele Fragen offen – politische wie rechtliche: So haben Amerikas Drohneneinsätze zum Beispiel die Beziehungen zu Pakistan stark belastet. Haben sie am Ende vielleicht mehr geschadet als genutzt?

Wie hart müssen die Beweise gegen einen Verdächtigen sein? Wer prüft sie? Können zivile Opfer Schadenersatz verlangen? Und wie rechtfertigt man diese Todesstrafe ohne Prozess, wenn der “Krieg gegen den Terror” für beendet erklärt wird und man sich nicht mehr irgendwie auf das Kriegsrecht berufen kann? Apodiktisch behauptete der Präsident, auch dann böten das amerikanische und das internationale Recht eine ausreichende Grundlage für Drohneneinsätze. Aber das ist selbst unter Obamas Freunden und Förderern äußerst umstritten.

Auch beim zweiten Thema fehlt es Obama an Glaubwürdigkeit. Abermals versprach der Präsident, das unrühmliche Guantánamo-Kapitel so schnell wie möglich zu schließen. Viel dafür getan hat er in den vergangenen vier Jahren nicht. Die meisten Gefangenen wurden schon vor geraumer Zeit für ungefährlich erklärt und hätten längst in ihre Heimat entlassen werden müssen. Doch niemand in der Regierung fühlte sich dafür verantwortlich.

Jetzt will Obama das seit 2009 gültige Moratorium aufheben, das bislang eine Rückführung von jemenitischen Gefangenen in ihre Heimat untersagte. Ein hoher Mitarbeiter im Außenministerium soll sich alsbald um den Transfer kümmern.

Der Präsident will zudem erneut Druck auf den Kongress ausüben, damit dieser endlich jene Beschränkungen aufhebt, die eine Überführung von Guantánamo-Gefangenen auf das amerikanische Festland verhindern. Dann könnten sie endlich vor ein ordentliches US-Gericht gestellt und im Falle ihrer Verurteilung in einem amerikanischen Hochsicherheitsgefängnis weggesperrt werden.

Doch was geschieht mit jenen 30 bis 40 Gefangenen, denen man aus unterschiedlichen Gründen keinen Prozess machen kann, die man aber gleichwohl nicht freilassen will, weil man sie für zu gefährlich hält?

Recht wird weiter verspottet

Zum Glück hat Obama nicht wieder den unseligen Vorschlag einer notfalls bis zum Sanktnimmerleinstag dauernden Sicherheitsverwahrung aufgegriffen. Aber er hat auch keine Lösung angeboten, sondern nur lapidar gesagt, irgendwie werde sich das Problem schon erledigen.

Von selber wird das aber nicht passieren. Dagegen stehen die bisherigen Erfahrungen sowie die geballte rechte politische Opposition, die gegen jedes Zugeständnis in Sachen Guantánamo Front machen wird.

In seiner Rede vor Angehörigen des Militärs und der Geheimdienste beklagte Obama, dass Guantánamo zum Symbol für ein Amerika geworden sei, das die Herrschaft des Rechts verspotte. Damit wird aber erst Schluss sein, wenn kein Terrorverdächtiger mehr ohne ein Verfahren in einem amerikanischen Gefängnis schmort.

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