Jetzt geht es um die Hegemonie am Golf
Der Bürgerkrieg wird zum internationalen Konflikt: Assad, Hisbollah, Iran und Russland auf der einen Seite, Saudi-Arabien, Katar, Israel und die USA auf der anderen. Kann es noch schlimmer kommen?
Es geht im Nahen Osten nicht mehr um Syrien, sondern längst um die syrische Erbfolge. Es zerfallen nicht nur die Grenzmarkierungen von 1919, sondern auch die nach 1945 gezogenen, als den europäischen Kolonialmächten Kraft und Geld ausgingen und nurmehr Rückzüge blieben.
Das Osmanische Reich hatte über Jahrhunderte von der Adria bis zum Golf geherrscht. Doch 1919 folgte dem Krieg, um alle Kriege zu beenden, ein Frieden, um allen Frieden zu beenden. Das galt für Europa, noch mehr für den Mittleren Osten, wo die Briten aus dem Erbe der Osmanen neue Staaten und das Mandat Palästina ins Leben riefen, um den Suezkanal und den Seeweg nach Indien militärisch und politisch zu sichern.
Die Franzosen erhielten Syrien – der alte Name verdeckte die Tatsache, dass sehr gegensätzliche Völkerschaften sich darin wiederfanden, Kurden, Sunniten, Alawiten, Schiiten, Christen. Der festen Hand der Kolonialmacht folgte nach dem Zweiten Weltkrieg die Faust heimischer Diktatoren – zuletzt der Assad-Sippe.
Familiendiktaturen in Auflösung begriffen
Diese Staatenwelt der Familiendiktaturen ist, seitdem die arabischen Revolutionen vor zwei, drei Jahren den Anstoß gaben, in Auflösung. Jetzt wird um Syrien gekämpft, noch mehr aber um die Entscheidung, wem in Zukunft der Fruchtbare Halbmond gehört. Der starke Mann von Damaskus wäre längst verloren, wenn nicht die Mullahs des Iran diesen Klienten, den einzigen in arabischen Breiten, am Leben erhielten.
Die schiitische Hisbollah, Kampftruppe und politischer Vetobesitzer im Libanon, kämpft für Assad und verlangt im Gegenzug Waffen, speziell Raketen, die dann den Staat Israel tödlich bedrohen. Die Russen haben Assad Luftabwehr versprochen, aber bisher angesichts amerikanischer und israelischer Warnungen nicht geliefert. Die Israelis wollen und müssen, bevor die Waffen an die Hisbollah gelangen, intervenieren. Diese Waffen schaffen Handlungszwänge.
Der syrische Bürgerkrieg wird längst überlagert durch den Kampf um Hegemonie am Golf: der Iran mit Unterstützung der Russen auf der einen Seite – Saudi-Arabien, Katar und Israel mit Unterstützung der Amerikaner auf der anderen.
Kann es noch schlimmer kommen? Waffen für die Rebellen sind zweischneidig. Auszuschließen ist mittlerweile nichts mehr. Israels Netanjahu und US-Außenminister John Kerry wissen: Der Weg nach Damaskus führt über Moskau. Wenn die anstehende Syrien-Konferenz nichts bringt, sieht es düster aus. Wenn nichts geschieht, kann alles geschehen.
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