Hans-Christian Ströbele: Warum ich von Obama so enttäuscht bin
Hans-Christian Ströbele hatte große Erwartungen: Auf keinen US-Präsidenten hoffte der Grünen-Politiker mehr als auf Barack Obama – und wurde dann so schwer enttäuscht.
Als Kennedy nach Berlin kam, klatschte ich noch begeistert bei seiner berühmten Rede vor dem Schöneberger Rathaus. Als Reagan da war, habe ich protestiert und demonstriert wie viele Tausende.
Obama als Präsidentschaftskandidat war zur Zeit seines Besuchs 2008 auch mein großer Hoffnungsträger. Mit dem Bürgerrechtsanwalt und Kriegsgegner im Weißen Haus hoffte ich, dass sich die US-Kriegspolitik entscheidend ändern werde. Forderte er doch die sofortige Schließung von Guantánamo und die Beendigung des Irakkrieges sowie die Achtung der Menschenrechte und der Bürgerrechte.
Inzwischen bin ich enttäuscht. Zwar hat Obama als Präsident innenpolitisch viel riskiert, um die Krankenversorgung der Geringverdienenden zu verbessern. Aber die Reichen hat auch er nicht mehr besteuert. Er hat den Irakkrieg beendet, aber damit hatte Kriegspräsident Bush ja schon begonnen. Ein US-Präsident des Friedens ist Obama wahrlich nicht geworden.
Hass und Gewalt werden weiter geschürt
Denn der Afghanistankrieg wurde zeitgleich mit zusätzlichen Zehntausenden US-Soldaten verschärft. Und die gezielten Tötungen mittels Kill-Kommandos und Drohnen dramatisch eskaliert. Inzwischen hat der Abzug der US-Truppen zwar begonnen, aber das Töten geht unvermindert weiter. Statt Waffenstillstand und Verhandlungen werden Hass und Gewalt weiter geschürt.
Obama hat die US-Beteiligung am Luftkrieg in Libyen befohlen und dessen Ausweitung auf immer mehr Ziele, gegen den Sinn und den Wortlaut des UN-Mandats. Jetzt betreibt er die direkte US-Einmischung in den Bürgerkrieg in Syrien. Trotz der Gefahr, damit die Al-Kaida-Rebellen hochzurüsten. Mittlerweile rechtfertigt er die gnadenlose Verfolgung von Whistleblowern wie Manning und Snowden, die in Sorge um die Freiheitsrechte von Menschen geheime Daten veröffentlicht haben. Und im US-Foltergefängnis Guantánamo sitzen nach fast 12 Jahren immer noch über hundert Gefangene ohne Gerichtsverfahren, oft ohne jede Anklage.
Vor allem hat Obama den schmutzigen Krieg gegen den “internationalen Terrorismus” mit Killer-Drohnen auf zwei Kontinente grenzenlos ausgedehnt.
Immer dienstags, am sogenannten Terror-Tuesday, entscheidet der Präsident im abhörsicheren Raum im Weißen Haus über Leben und Tod von vermeintlichen oder reellen Terroristen in Afrika oder Pakistan. Viele Hundert Zielpersonen sollen daraufhin schon getötet worden sein, darunter nicht wenige irrtümlich oder als bloße “Kollateralschäden”. Auch deutsche Staatsbürger sind unter den Opfern. Diese Kriegspolitik ist nicht nur inhuman und völkerrechtswidrig. Sie ist auch unvernünftig und falsch, denn sie verhindert friedliche Lösungen. Neuer Hass wird geschürt. Obama dreht an der Spirale der skrupellosen Gewalt im asymmetrischen Krieg. Straftäter sind vor Gericht zu stellen und nicht einfach hinzurichten.
Richtig Freude kann nicht aufkommen
Es ist nicht bekannt, ob heute ein solcher “Terror-Dienstag” ist, an dem über Leben und Tod entschieden wird – vielleicht von Deutschland aus. Ich weiß auch nicht, ob Obama in Berlin neben den vielen offiziellen Bezeugungen von Freundschaft der Protest vieler Berliner erreicht. Ich würde ihm gern die Enttäuschung derer übermitteln, die große Hoffnung in ihn hatten. Ich würde ihn daran erinnern, was er zur Verletzung des humanitären Völkerrechts durch Verschleppung in Internierungslager und Folter im Kampf gegen den internationalen Terrorismus unter Bush geäußert hatte. Damals ging es “nur” um die Gesundheit und Selbstbestimmung der Opfer, jetzt um deren Tötung.
Als Abgeordneter möchte ich fragen, welche Daten der US-Geheimdienst NSA in Deutschland abgeschöpft hat und was mit diesen geschehen ist. Ich würde ihm sagen, warum ich Asyl für Snowden in Deutschland fordere und daran festhalte, dass Whistleblower geschützt werden müssen.
Nein, so richtig Freude kann diesmal nicht aufkommen bei diesem Obama-Besuch – eher Trauer wegen so vieler enttäuschter Erwartungen. Was bleibt, ist ein Fünkchen Hoffnung, dass er zurückfindet zu dem Obama, der uns 2008 mit seiner Rede an der Siegessäule so begeisterte.
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