Farewell to Superman

Edited by Anita Dixon

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Abschied von Superman

Von Friedemann Diederichs

Die Deutschen lieben Barack Obama immer noch. Laut Umfragen lieben sie ihn sogar so sehr, dass sie ihn bedenkenlos mit großer Mehrheit zum Kanzler wählen würden. Angela Merkel hätte keine Chance. Wie kommt es zu dieser anhaltenden Verehrung, die dem US-Präsidenten fast einen gottesähnlichen Status verleiht?

Obama ist ein Politiker, der es beherrscht, mit dem gesprochenen Wort Visionen von einer besseren Welt zu erzeugen – wie, in seiner Prager Rede, die Vorstellung von einem Planeten ohne Atomwaffen. Er agiert mit einer an Arroganz grenzenden Selbstüberzeugung, die gleichzeitig ein extremes Ausmaß an Hoffnungen erzeugt hat, die aber in der Realität nicht erfüllt werden können.

Erst langsam dämmert vielen US-Bürgern: Obama ist weder der von ihm selbst projizierte Messias noch ein politischer Superman. Er ist ein ganz gewöhnlicher Politiker, der seinen Aufstieg vor allem seiner Rhetorik und der Müdigkeit der Wähler nach der Ära Bush verdankte. Obama hat nicht nur, wie viele vor ihm, einen Teil seiner Wahlversprechen gebrochen – von der Schließung Guantanamos bis hin zu mehr Transparenz bei seinen Entscheidungen. Er und seine Regierungsbehörden bewegen sich mittlerweile auch auf juristisch extrem fragwürdigem Terrain, sei es bei der Verfolgung von unbequemen Journalisten, der Duldung der Bespitzelung von Millionen Menschen durch die US-Geheimdienste, der Tötung von mutmaßlichen und oft noch nicht einmal namentlich bekannten „Staatsfeinden“ durch Drohnen und der Schikane politisch Andersdenkender durch die Steuer- und Justizbehörden.

Auch die außenpolitische Bilanz ist ernüchternd. Im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ist eine Friedenslösung nicht in Sicht. Der Iran setzt seine Bemühungen fort, sich in die Atomwaffen-Staaten einreihen zu können. Und das Ansehen der USA in der muslimischen Welt ist trotz Obamas Bemühungen unverändert schlecht.

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