Hounding Snowden

Edited by Laurence Bouvard

 

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Hetzjagd auf Snowden

Von Christian Selz

26.06.2013

Hype um die »Flucht« des Whistleblowers verdrängt den eigentlichen Skandal: Die großangelegte Internetspionage der USA und Großbritanniens

Wo ist Snowden?«: Die Frage ist von Welt bis Zeit online omnipräsent im digitalen und gedruckten Blätterwald. Von einem Spionagethriller weiß die Deutsche Presse-Agentur (dpa) zu berichten. Die Odyssee des 30jährigen US-Amerikaners Edward Snowden wird zur »Flucht«. Ein medialer Hype bricht aus um einen Mann, der sich anscheinend verstecken muß – so, als sei er der Übeltäter. Doch was aussieht wie eine James-Bond-Episode in Echtzeit, verdeckt das eigentliche Problem.

Der Sicherheitsberater Edward Snowden hat die Welt über die großangelegten Spionageprogramme der Vereinigten Staaten und Großbritanniens informiert. Er hat das milliardenfache Ignorieren der Privatsphäre Unschuldiger durch einen staatlichen Geheimniskrämer-Apparat offengelegt, der sich öffentlicher Kontrolle ansonsten längst entzogen hat. Snowden zeigt auf, daß Großbritannien systematisch hochrangige Delegationen scheinbar befreundeter Staaten wie Südafrika ausspioniert hat, und daß US-amerikanische Geheimdienste sich in chinesische Forschungsnetzwerke gehackt haben. Deswegen will die entblößte Regierung seines Heimatlandes ihn verhaften, deswegen wird er verfolgt wie ein Gangster. Daß Edward Snowden kein Krimineller ist, läßt sich dagegen schon juristisch relativ leicht herausarbeiten. Gegen ihn liegt kein internationaler Haftbefehl bei Interpol vor, weil sein »Verbrechen« – nämlich staatliche Tyrannei öffentlich zu machen – für die Weltgemeinschaft gar keines ist. Das gilt auch dann, wenn Snowden, wie von Hongkonger Medien berichtet, schon mit der Absicht, die Überwachungsmaßnahmen offenzulegen, seinen Job angetreten hat.

Das von US-Außenminister John Kerry mit energischen Drohungen kaum definierter »Konsequenzen« garnierte Auslieferungsgesuch der US-Regierung an Snowdens ersten Zufluchtsort Hongkong konnte daher nur erfolglos bleiben, weil das zugrundeliegende Auslieferungsabkommen politisch Verfolgte ausschließt. Der »amerikanische Dissident« Snowden, wie ihn russische Medien inzwischen nennen, fällt ohne Zweifel in diese Kategorie. Rußland, wo sich Snowden im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo aufhält, hat gar kein Auslieferungsabkommen mit den USA. Auch gegen Ecuador, das derzeit einen Asylantrag Snowdens prüft und bereits den Wiki­leaks-Gründer Julian Assange in seiner Londoner Botschaft aufgenommen hat, agieren die Amerikaner nicht mit Argumenten, sondern mit Drohungen. Anonyme Regierungsvertreter weisen ganz subtil auf die im kommenden Monat anstehende Verlängerung von Zollvergünstigungen für Produkte aus dem lateinamerikanischen Land hin.

Die wahren Verbrecher gegen die Freiheit geraten so aus der Schußlinie. »Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, die so etwas macht. Eine Gesellschaft, in der alles, was ich mache und sage, aufgenommen wird«, hatte Snowden bei seiner Selbstenttarnung vor zwei Wochen gesagt. »Du mußt überhaupt nichts falsch gemacht haben«, erklärte der Whistleblower damals. »Du mußt nur irgendwie in Verdacht geraten.« Es waren die Sätze, für die Snowden sein bisheriges Leben als gut bezahlter Sicherheitsberater aufgegeben hat. Die derzeit laufende, staatliche Hetzjagd hat ihn bestätigt.

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