Attack on a Friend

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Angriff auf einen Freund

Kennen Sie Fort Meade? Ich auch nicht. Aber vielleicht sollten wir mal hinfahren, nach „Crypto City“, unsere persönlichen Daten besuchen. In dem 10 000-Einwohner-Nest sammelt der US-Geheimdienst NSA die Beute aus der umfassenden Missachtung unserer Bürgerrechte. 500 Millionen belauschte deutscher Telefonate, Mails oder SMS laufen in die Speicher – jeden Monat, berichtet der „Spiegel“. Einer Karte der britischen Zeitung Guardian entnehmen wir, dass Deutschland so intensiv überwacht wird wie China und der Irak. Genauer höre die NSA nur in wenigen Ländern hin, Pakistan und Iran etwa.

Mit jedem Tag wird der amerikanisch-britische Abhörskandal größer. Offensichtlich werden sogar EU-Institutionen und die Bundesregierung bespitzelt – Deutschland sei als Angriffsziel definiert. Schon die Abhörprogramme gegen Millionen unbescholtener Bürger verletzten den Kern unseres Rechtsstaates. Ohne konkreten Verdacht einer schweren Straftat darf die Privatsphäre der Bürger niemals verletzt werden. Stets hat ein Richter das Interesse der Allgemeinheit gegen das Schutzrecht des Bürgers abzuwägen. Amerikaner und Briten setzen sich darüber arrogant hinweg. Die britische Regierung hielt es bis dato nicht einmal für nötig, sich zu dem Skandal zu äußern.

Nicht, dass eine Rechtfertigung denkbar wäre: Mit der Belauschung der Bundesregierung ist Obamas Argument der Terror-Abwehr in sich zusammengefallen. Niemand wird behaupten, von Deutschlands Institutionen gehe Gefahr aus. Die Abhörprogramme sind feindselige Akte gegen Deutschland, einen der engsten Partner der Vereinigten Staaten und Großbritanniens. Eine schockierende Erkenntnis, 68 Jahre nach dem Krieg, die nicht ohne Konsequenzen bleiben darf.

Noch immer hat die Bundesregierung nicht mit der notwendigen Schärfe reagiert. Das kann nur zwei Gründe haben: Entweder, Berlin wusste längst, was wir erst durch Edward Snowden erfahren. Oder die Bundeskanzlerin verkennt ihre Pflicht. Ein Staat hat seine Bürger zu schützen, daraus bezieht er einen wesentlichen Teil seiner Legitimation. Es ist Zeit, dass die Kanzlerin Farbe bekennt.

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