Mood Swing

Edited by Gillian Palmer

 

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Stimmungsumschwung

Matthias Naß

31.07.2013

Auch in den USA wächst die Kritik an den Methoden der NSA. Edward Snowden hat der amerikanischen Demokratie einen Dienst erwiesen, schreibt Matthias Naß.

Das Urteil gegen den WikiLeaks-Informanten Bradley Manning, das die Richterin Denise Lind gestern in Fort Meade, Maryland, verkündet hat, ist in der direkten Nachbarschaft mit größtem Interesse erwartet worden.

Denn in Fort Meade befindet sich auch das Hauptquartier der National Security Agency. Und die NSA möchte ebenfalls einen “Verräter” aus den eigenen Reihen, den nach Moskau geflüchteten früheren Mitarbeiter Edward Snowden, so schnell wie möglich vor Gericht sehen.

Die US-Regierung betreibt die Auslieferung Snowdens mit beharrlichem Druck – und mit befremdlichen Versprechungen. Snowden, schrieb dieser Tage Justizminister Eric Holder seinem russischen Amtskollegen, drohe daheim weder die Todesstrafe, noch müsse er nach seiner Rückkehr mit Folter rechnen.

Was für ein Bild hat der stolze Rechtsstaat Amerika inzwischen von sich selbst, dass er meint, den Verzicht auf Folter in offiziellen Regierungsschreiben zusichern zu müssen!

Es ist manches aus dem Ruder gelaufen nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Aber wie immer, und das ist die gute Nachricht, ist Amerika fähig zur Selbstbesinnung und zur politischen Korrektur.

Das zeigt die schärfer werdende Debatte über die massenhaften Lauschangriffe der NSA gegen die eigenen Bürger. Denn es ist keineswegs so, dass nur die hysterischen Deutschen empört auf das grenzenlose Datenfischen im Telefon- und Computernetz reagieren.

Auch vielen Amerikanern reicht es allmählich. Die Hälfte von ihnen, das ergab eine Umfrage im Auftrag der Washington Post und des Fernsehsenders ABC, fühlt sich von den NSA-Programmen in ihrer Privatsphäre verletzt. Nur noch 42 Prozent glauben, diese Programme machten Amerika sicherer.

Der Stimmungsumschwung, den Edward Snowden mit seinen Enthüllungen ausgelöst hat, zeigt sich auch im Kongress. Nur knapp scheiterte vergangene Woche im Repräsentantenhaus der Versuch, der NSA die Gelder für die Telefon-Überwachung zu beschneiden. Widerspruch gegen die bisherige Praxis kommt von Demokraten wie von Republikanern.

Jim Sensenbrenner, republikanischer Abgeordneter aus Wisconsin und einer der Väter des nach dem 11. September 2001 verabschiedeten Patriot Act rief aus, niemals habe er die Absicht gehabt, heimische Telefondaten “mit dem Staubsauger” zu sammeln. “Die Zeit ist gekommen, dies zu stoppen!”

In immer schnellerer Abfolge müssen die Chefs der NSA vor den Ausschüssen des Kongresses erscheinen. Eben noch waren sich alle – Regierung, Parlament, die Nachrichtendienste sowieso – einig: Der “Verräter” Edward Snowden verdient keine Nachsicht, wenn auch ohne Folter und Todesstrafe.

Vor Gericht wollen ihn wohl immer noch die meisten Amerikaner sehen. Aber mittlerweile setzt bei Bürgern und Abgeordneten ein Umdenken ein. Was immer seine Motive waren: Snowden könnte der amerikanischen Demokratie einen Dienst erwiesen haben.

Und immerhin das begreift man auch bei der NSA: “Wenn wir das Vertrauen des amerikanischen Volkes verlieren, können wir unseren Job nicht mehr tun.”

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