Why Obama Is Dependent on Putin

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Warum Obama von Putin abhängig ist

Von Holger Schmale

08. August 2013

Barack Obama ist gescheitert mit dem Versuch, das Verhältnis Washingtons zu Moskau mit pragmatischen Kompromissen zu sanieren. So bleibt die Lage für den US-Präsidenten ungemütlich.

Barack Obama ist nicht nur ein begnadeter Politiker, sondern auch ein Schauspieler, der es virtuos versteht, verschiedene Bühnen fast gleichzeitig zu bespielen. Am Dienstagabend trat er in der populären TV-Talkshow von Jay Leno auf und plauderte locker über das Verhältnis zu Russland. Manchmal falle der russische Präsident Putin ja in Rituale des Kalten Krieges zurück, klagte Obama in väterlichem Ton. Er sage Putin dann, der Kalte Krieg sei Vergangenheit, man müsse doch gemeinsam in die Zukunft schauen.

Zu diesem Zeitpunkt dürfte Obama bereits entschlossen gewesen sein, am nächsten Tag selber eine Pose aus dem Repertoire des Kalten Krieges einzunehmen: die Absage des persönlichen Gesprächs mit Putin am Vorabend des bevorstehenden G20-Gipfels in St. Petersburg. Einen solchen Schritt hat noch kein US-Präsident der Nachkriegszeit gewagt.

Wie ein Rabauke auf dem Schulhof

Beide Botschaften waren für unterschiedliches Publikum bestimmt. Der Auftritt bei Jay Leno sollte nach Russland signalisieren: Ich bin nicht froh über die Entwicklung unserer Beziehungen, aber wir werden schon noch klarkommen. Die Absage am nächsten Tag zielte auch auf Moskau, aber gewiss in dem Bewusstsein, dass Putin dies nicht sonderlich beeindrucken werde. Die Hauptadressaten aber waren die Amerikaner, die es kaum ertragen, wie Moskau den als Staatsfeind identifizierten Geheimnisverräter Snowden beherbergt.

Der Beifall kam umgehend. Putin führe sich wie ein Rabauke auf dem Schulhof auf und verdiene kein Treffen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, erklärte der einflussreiche Senator Charles Schumer. Die Wortwahl zeigt, wie sehr man auch bei den Demokraten darauf gewartet hat, dass der Präsident einmal auf den Tisch haut.

Der Fall Snowden war für den US-Präsidenten wohl nur die vorerst letzte einer ganzen Reihe von Enttäuschungen. Allerdings: Hätten sich die Amerikaner wohl anders verhalten, wenn ein russischer Geheimdienstler in Washington um Asyl gebeten hätte? Wohl kaum. Dieser Umgang gehört zum internationalen Geschäft zwischen konkurrierenden Staaten. Überraschend ist vielmehr die wenig souveräne Reaktion der USA auf diesen Fall. Womöglich wäre er schnell aus der Welt und Snowden in die USA zu schaffen gewesen, wenn man ihm einen Deal angeboten hätte: eine angemessene und überschaubare Strafe im Gegenzug für Kooperation, anstatt ihn mit einer Spionageanklage und hundert Jahren Gefängnis zu bedrohen, wie es gerade seinem Bruder im Geiste Bradley Manning widerfährt.

Obamas Frust ist groß

Es weht also gerade ein eisiger Hauch zwischen Washington und Moskau, aber eine neue Eiszeit kündigt der wohl doch nicht an. Dagegen spricht zum Beispiel das Ministertreffen an diesem Freitag. Gleichwohl, Obamas Frustration darüber, dass Putin die vor vier Jahren vom US-Präsidenten angekündigte neue Ära in den amerikanisch-russischen Beziehungen mehr blockiert als fördert, ist groß. Auf Obamas im Juni in Berlin verkündete neue Abrüstungsinitiative für Atomwaffen hat er überhaupt nicht reagiert. Das lässt sich als Ausdruck von persönlicher Geringschätzung werten. Möglicherweise zweifelt Obama mittlerweile an seiner These, die Zusammenarbeit mit Putins Russland sei der Schlüssel zur Lösung einiger drängender internationaler Probleme.

Einen Hauch von neuem Kaltem Krieg wittern Beobachter nach der Gesprächsabsage Barack Obamas. Damit spielen sie an auf den Kalten Krieg zwischen West und Ost, der vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Mauerfall die Weltpolitik bestimmte:

Das Problem ist, dass erstens eine Reihe internationaler Probleme tatsächlich nur in Zusammenarbeit mit den Russen zu lösen sind. Und das zweitens der Druck auf die Weltmacht USA mit ihrem Friedensnobelpreisträger an der Spitze größer ist, etwa den Krieg in Syrien zu Ende zu bringen, als dies für Russland der Fall ist. Auch das iranische Atomprogramm dürfte den USA mehr Sorgen bereiten als Wladimir Putin.

So befindet sich Obama in der ungemütlichen Lage, zum Erfolg seiner Außenpolitik eben doch in erheblichem Maße von dem Mann im Kreml abhängig zu sein. Der aber hat kein Interesse, dem Kollegen aus Washington das Leben leichter zu machen.

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