Fünf Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers ist in dieser Woche in New York einer der aufsehenerregendsten, im Zusammenhang mit der Finanzkrise stehenden Prozesse zu Ende gegangen. Ein Geschworenengericht hat den ehemaligen Goldman-Sachs-Mitarbeiter Fabrice Tourre im Sinne der von der Börsenaufsicht SEC erhobenen Zivilklage schuldig gesprochen. Der zum Zeitpunkt der Vergehen 28-Jährige ist damit zum Sündenbock der Finanzkrise und zum Gesicht der hinter der Finanzkrise stehenden Verantwortungslosigkeit geworden.
Es ist zwar richtig, dass sich auch ein kleiner Fisch wie Tourre für sein Verhalten vor Gericht verantworten muss. Nicht richtig ist, dass die grossen Haie der Finanzbranche bisher von der Justiz unbehelligt davongekommen sind.
Warum, so die drängende Frage, hat bisher in den USA kein auf oberer Ebene angesiedelter Bankmanager sich vor Gericht in einem Zivil- oder Strafprozess verantworten müssen? Die Antwort ist technischer und politischer Natur. Das US-Gesetz setzt die Hürde sehr hoch, dass ein Manager des Betrugs überführt werden kann. Entsprechend schwer ist es, die Grenze zu ziehen zwischen Betrug und geschäftlichen Fehlentscheidungen bzw. unternehmerischem Versagen. Doch ist auch eine gehörige Portion Politik im Spiel: Die Justiz und die Behörden sind letzten Endes nicht gewillt, im Zusammenhang mit der Finanzkrise gegen herausragende Einzelpersonen vorzugehen. Zu eng sind die Verflechtungen zwischen der verpolitisierten Justiz und der Bankenbranche.
Aufgebrachte Gemüter werden sich damit abfinden müssen, dass wohl kein höherer Bankmanager sich wegen Vergehen vor der Finanzkrise wird mehr vor Gericht verantworten müssen. Es mag ein Trost sein, dass vor allem Anleger noch immer den Weg der Privatklage beschreiten können. Immerhin sind auf diesem Wege schon mehrere hundert Milliarden Dollar an geschädigte Bankkunden und Geschäftspartner zurückgeflossen.
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