Limited Liability Invasions

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Einsätze mit beschränkter Haftung

von Nicolas Richter

29. August 2013

Ohne Vision für den Nahen Osten: US-Präsident Obama entscheidet von Fall zu Fall, wo Amerika sich Idealismus leisten kann und wo nicht. Syrien ist ein Beispiel dafür, wie sich diese Politik der kleinen Münze rächen kann. Sein kleinkrämerischer Ansatz trägt Obama oft den Vorwurf der Schwäche ein – dabei sind seine Worte sehr wohl ernst zu nehmen.

Der Ferne Osten scheint Barack Obama oft näher zu liegen als der Nahe. Er hat einst in Indonesien gelebt, und in jenem Teil der Welt sieht er langfristig Amerikas strategische Interessen. Sein rebalancing, die Suche nach einem neuen Gleichgewicht zwischen arabischen Ländern und fernöstlichen, ist in Wahrheit eine Abkehr von jener entzündlichen Gemengelage, die am Mittelmeer und am Golf immer neue Konflikte hervorbringt.

Obamas Rede an die Muslime im Jahr 2009 in Kairo – das Weiße Haus hatte sie zunächst in Jakarta geplant – sollte nach den Bush-Jahren das Missverständnis ausräumen, Amerika habe etwas gegen den Islam. Es war eine Friedens-, keine Liebeserklärung. “Wir mögen euch. Good bye.” – auch so kann man die Rede heute deuten. Der US-Präsident wirkt aus nahöstlicher Sicht desinteressiert. Als sein Außenminister John Kerry jüngst den Friedensprozess wiederbelebte, hatte man den Eindruck, ein Hobby von Kerry zu beobachten, nicht eine US-Initiative.

Aber die Region neigt dazu, Amerikas Präsidenten gleichwohl zu vereinnahmen. Der arabische Frühling hat eine Fülle von Krisen ausgelöst, in denen Obama vor dem immer gleichen Dilemma stand: Realist sein oder Idealist? Eingreifen oder Heraushalten? Risiko oder Sicherheit?

Die USA sind erschöpft

Obama hat keine einheitliche Antwort gegeben. Manchmal war er der Idealist, der den ägyptischen Uralt-Verbündeten Mubarak zum Rückzug aufforderte oder den Libyer Gaddafi aus dem Amt bombte. Beides hätte ein Realist wie Bush Senior nicht getan: Nach dessen Denkschule garantierte Mubarak Stabilität, Libyen berührte keine US-Interessen. Während Obama in diesen Fällen Ideale wie die Demokratie vorn anstellte, ignorierte er sie während der Aufstände in Bahrain oder in Iran – und nach dem Putsch in Ägypten.

Obama hat keine Vision für den Nahen Osten. Fraglich ist aber, ob es dem Nahen Osten besser ginge, wenn Obama eine hätte. Der Irak hat zuletzt schlechte Erfahrungen gemacht mit Visionen aus Washington. Die USA wiederum sind erschöpft, in jeder Hinsicht. Das Geld geht aus, die Soldaten möchten nach Hause. Die Abhängigkeit von fremdem Öl sinkt. Das bedeutet zwangsläufig, dass Amerika an Einfluss verliert. Was übrig bleibt, versucht Obama so gewinnbringend einzusetzen wie möglich. Er dreht jeden Cent seines außenpolitischen Kapitals um. Er entscheidet von Fall zu Fall, wo Amerika sich Idealismus leisten kann und wo nicht.

Mit kleinen Mitteln Großes bewirken

Dieser kleinkrämerische Ansatz trägt Obama oft den Vorwurf der Schwäche ein. Es ist in der Tat schwer zu begreifen, warum die israelische Regierung ungestraft das palästinensische Nachbarland bebaut, obwohl Obama dies missbilligt. Befremdlich ist auch, dass sich der US-Präsident nicht stärker gemacht hat für das Gelingen des demokratischen Experiments in Ägypten, und dass er es sich bieten lässt, was die Putsch-Generäle jetzt dort aufführen.

Allerdings hat Obama oft genug bewiesen, dass er kühl und mitleidlos sein kann – gegenüber verfeindeten Topterroristen, verbündeten Diktatoren, bei Drohnen-Kommandos in Jemen und bei der Bombardierung Libyens, auch wenn Obama die Europäer dort einen guten Teil der Arbeit (und Kosten) übernehmen ließ.

Syrien nun ist ein Beispiel dafür, wie sich die Politik der kleinen Münze rächen kann. Zu lange hat Obama darauf gehofft, dass Präsident Assad den Reformer in sich entdeckt, zu lange hat er die Opposition alleingelassen, zu lange die Blockade der UN hingenommen. Aus Obamas Sicht ist Syrien zu gefährlich, zu kostspielig. Der mutmaßliche Einsatz von Giftgas schafft nun eine neue Lage. Obama muss darauf nicht nur deswegen reagieren, weil er selbst eine rote Linie gezogen hat, sondern auch, weil Verbrechen gegen die Menschlichkeit die ganze Welt angehen.

Kein Militärstiefel auf syrischen Boden

Die Reaktion, die Washington jetzt andeutet, steht im Einklang mit Obamas Logik. Ein Einschüchterungsangriff mit Raketen aus der Ferne würde die USA zur Hüterin weltweiter Mindestnormen machen, ohne dass Kosten und Risiken allzu hoch wären. Obama wird als Legitimation aber mehr brauchen als nur warme Worte aus Paris oder London. Und er dürfte wissen, dass Minimaleinsätze keine Probleme lösen. Zu mehr aber sind die USA nicht in der Lage. Weder Obama noch der Kongress sind bereit, auch nur einen Militärstiefel auf syrischen Boden zu setzen.

Obama mag es, wenn er mit kleinem Einsatz und Risiko ein großes Zeichen setzen kann. Zu dieser Vorliebe passen Drohnen, Marschflugkörper und andere Einsätze mit beschränkter Haftung. Wenn Obama also ankündigt, dass er eine atomare Bewaffnung Irans nicht hinnehmen wird, sollte das Teheraner Regime mit seinen verstreuten Urananreicherungsbunkern das durchaus ernst nehmen.

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