Obama's Syria Speech:A Sign of Strength

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Obamas Syrien-Rede ist ein Zeichen der Stärke

Von Martin Klingst

11. September 2013

Kein anderer US-Präsident hat Zweifel zugelassen, wenn es um Krieg und Frieden ging. Obama aber bindet sein Volk ein und lässt Raum für Diplomatie. Ein Kommentar

Es war ein ungewöhnlicher Auftritt des US-Präsidenten am Dienstagabend, der historisch keine Parallele kennt. Es war eine Fernsehansprache an ein kriegsmüdes Volk, vorgetragen von einem Präsidenten, der selber kriegsmüde ist, aber keinen anderen Ausweg sieht, sollte auch die letzte diplomatische Offensive scheitern.

Man mag sich fragen, warum Barack Obama nach allem, was in den vergangenen Tagen passiert ist, immer noch zu seinem Volk sprechen wollte. Schließlich droht einstweilen kein Krieg und auch der Kongress wird in den nächsten Tagen nicht darüber abstimmen. Die Abgeordneten haben ihr Votum vertagt.

Der Grund dafür: Die Russen haben in letzter Sekunde vorgeschlagen, Syriens Chemiewaffen möglichst unverzüglich unter internationale Kontrolle zu bringen. Und Obama hat sich einverstanden erklärt, diesen Vorschlag zu prüfen. Der Präsident hat also Zeit gewonnen und kann aufatmen. Die drohende Abstimmungsniederlage im kriegsskeptischen Kongress ist jedenfalls für den Augenblick gebannt.

Obama erhält Druck aufrecht

Aber gerade deshalb hielt Obama an seiner Rede fest. Weil er den Druck auf Syrien aufrechterhalten will. Weil er die Sorgen der Amerikaner beantworten möchte. Und weil er seinem Volk und der Welt deutlich machen will, dass Russlands und Syriens Einlenken nur einem einzigen Umstand zu verdanken ist: der Entschlossenheit der amerikanischen Regierung, notfalls Raketen auf syrische Militärstellungen zu schießen.

Obama hat wahrscheinlich recht: ohne die amerikanische Drohung hätten die Russen nie vorgeschlagen, die syrischen Chemiewaffen einzusammeln und zu vernichten. Ohne den drohenden Militärschlag hätten auch die Syrer nie eingestanden, im Besitz von Chemiewaffen zu sein. Und sie hätten sich auch nicht bereit erklärt, dem internationalen Chemiewaffenverbot beizutreten.

Es bleibt abzuwarten, ob Russen wie Syrer am Ende ihre Versprechen einhalten. Zweifel sind angebracht. Allzu oft geht es nur um Zeitgewinn und taktische Spielchen. Irak und Iran sind traurige Lehrstunden. Auch deshalb will Obama sein Militär bis auf weiteres in Bereitschaft halten. Und auch deshalb wird er den Kongress weiter um Zustimmung zu einem begrenzten Angriff ersuchen.

Gut möglich, dass die Chancen auf Genehmigung eines Militärschlags gewachsen sind. Sollten Russland und Syrien die Weltgemeinschaft an der Nase herumführen, sollten sie verzögern und blockieren, dann wird der Kongress eher geneigt sein, Obama zu folgen.

Ungewöhnliche Kriegsrede

Bemerkenswert aber war die Ansprache des Präsidenten vor allem aus einem Grund: Obama griff die Bedenken seiner Kritiker auf. Er zitierte aus sorgenvollen Briefen und versuchte, die Ängste zu entkräften.

Kein anderer amerikanischer Präsident, der seiner Armee den Marschbefehl gab, hat dies je getan. In Kriegsreden wurde bislang immer laut in die Posaune geblasen, Zweifel hatten darin keinen Platz.

Manche sagen, Obama sei schwach, weil er das Parlament um Rückhalt ersuche. Und weil er immer wieder die eigenen Skrupel durchschimmern lasse. In Wahrheit aber ist es ein Zeichen der Stärke.

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