Die Lage in Syrien beschäftigt nicht nur die westliche Welt. Mindestens genauso intensiv verfolgt Iran, wie sich die USA winden und Russland die Gelegenheit zur Initiative ergreift. Teheran wird seine Schlüsse daraus ziehen – vor allem im Hinblick auf die bevorstehenden Verhandlungen über das umstrittene Atomprogramm des Landes.
Das Genfer Übereinkommen zwischen Russland und den USA betrifft die Chemiewaffen des Assad-Regimes in Syrien. Mindestens genauso intensiv wie in Damaskus aber dürften das Dokument sowie seine drei Wochen währende Entstehungsphase in Teheran studiert werden. Zweifelsohne haben die Diplomaten der Islamischen Republik registriert, wie sich die USA gewunden haben, wie Russland die Gelegenheit zur Initiative ergriff. Sie werden ihre Schlüsse daraus ziehen, was all das für die bevorstehenden Verhandlungen über das umstrittene Atomprogramm ihres Landes mit den Weltmächten bedeuten könnte. US-Außenminister John Kerry hat schon flugs erklärt, der Deal, den er mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ausgehandelt habe, setze Maßstäbe auch für Iran und Nordkorea.
Die Versuchung mag groß sein, doch würde die Regierung in Teheran wohl einen schweren Fehler machen, sollte sie Obamas Zickzackkurs in der Frage der syrischen Chemiewaffen als Zeichen der Schwäche im Atomstreit interpretieren. Der US-Präsident hat deutlich gemacht, dass die nationalen Interessen Amerikas durch das Giftgemetzel in Damaskus allenfalls mittelbar berührt sind. Jeder Vorstoß Irans, tatsächlich Atomwaffen zu bauen, wäre von den strategischen Auswirkungen her für die Region eine andere Nummer – die in Washington sicherlich eine gegenteilige innenpolitische Dynamik in Gang setzen würde als jetzt im Falle von Syrien.
Auch ist Teheran nicht entgangen, dass Moskau erst aktiv geworden ist, nachdem die USA Lenkwaffenkreuzer ins Mittelmeer verlegt hatten. Wladimir Putin ging es vor allem darum, einen Militärschlag abzuwenden, der Baschar al-Assad womöglich entscheidend geschwächt hätte, nicht um Frieden und Völkerrecht. Der Preis für Assad ist hoch, wenn er das Abkommen erfüllt: Er verliert sein Abschreckungspotenzial gegenüber Israel. Das Wirken einer Schutzmacht dürfte man sich anders vorgestellt haben in Iran, wo man den syrischen Bürgerkrieg als Verschwörung des Westens sieht, um die “Widerstandsfront” gegen Israel zu schwächen.
Eine Brücke für Atomgespräche?
Jenseits dieser ideologischen Rhetorik, die auch der neue Präsident Hassan Rohani bedient, könnte das Giftgas-Abkommen eine Brücke für die Atomgespräche bauen: Iran wollte in diesem Kontext immer auch über die regionale Sicherheit reden. Mit Blick auf eine mögliche Syrien-Friedenskonferenz in Genf könnte Rohani nun eine konstruktive Rolle spielen; ein Militärschlag dagegen hätte ihm jeden Spielraum genommen, in Syrien wie im Atomstreit.
Irans neuer Präsident hat zu erkennen gegeben, dass Teheran sogar bereit wäre, eine Führung in Damaskus ohne Assad zu akzeptieren. Die Bedingung dafür wäre, dass die USA die Balance in der Region nicht grundlegend verändern. Der Giftgas-Deal lässt zumindest vermuten, dass sich Washington letztlich mit dem Status quo abfinden kann. Das dürfte für Iran das wichtigste Signal sein. Denn der Verdacht, dass es Amerika eigentlich um Regimewechsel geht, sitzt in Teheran tief.
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