In the Hands of the Extremists

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In der Hand von Extremisten

Von Martin Klingst

1. Oktober 2013

Die Verwaltung einer Supermacht steht still. Verantwortlich ist ein Häufchen Radikaler, das keinen Kompromiss will, sondern das Land für seine Ideologie zur Geisel macht.

Republikaner und Demokraten haben sich im US-Kongress nicht auf einen Haushaltsentwurf geeinigt. Die Verwaltung liegt damit still, Staatsbedienstete müssen in Zwangsurlaub. Video kommentieren

Die Frist ist abgelaufen. Seit Dienstag, null Uhr, hat Amerikas Regierung nicht mehr genug Geld, um ihre Bundesbeamten, Angestellten und Soldaten zu bezahlen. Sie muss jetzt entscheiden, wer trotz allem seinen Lohn erhält, weil seine Dienste unverzichtbar sind. Und wer – zumindest vorübergehend – leer ausgeht.

Betroffen sind nicht nur Millionen Menschen im Staatsdienst, sondern im Grunde fast alle Amerikaner. Denn die Zahlungsunfähigkeit wird, sollte sie über Wochen andauern, fatale Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Sie könnte den zaghaften Aufschwung bremsen und überdies die horrenden Staatsschulden weiter in die Höhe treiben.

Verantwortlich für dieses Desaster ist in erster Linie eine kleine Gruppe kompromissloser republikanischer Ideologen im Repräsentantenhaus. Sie fährt nicht nur die eigene Partei an die Wand, sondern das gesamte Land. Leider besitzt die Führung dieser Traditionspartei bislang weder den Mut noch das Rückgrat, ihre Extremisten in die Schranken zu weisen.

Was derzeit in Washington passiert, könnte der Anfang einer Katastrophe sein. Es ist gut möglich, dass in zwei bis drei Wochen ein noch weit größeres Problem entsteht. Mitte Oktober nämlich muss der Kongress entscheiden, ob er die staatliche Verschuldungsgrenze weiter anhebt.

Es droht eine neue Wirtschaftskrise

Die Ideologen wollen sich auch hier wieder verweigern. Haben sie damit Erfolg, kann die Obama-Regierung die Staatsschulden nicht zurückzahlen – weder an China noch an die eigenen Banken. Dann droht eine neue Finanz- und Weltwirtschaftskrise.

Man kann lange darüber streiten, ob die Obama-Regierung die richtigen Wirtschaftskonzepte anwendet. Ob sie nicht viel früher viel stärker hätte sparen müssen, damit es erst gar nicht zu diesem Engpass gekommen wäre. Doch die paar Dutzend politischen Geiselnehmer streben nicht nach größerer Haushaltsdisziplin und solideren Staatsfinanzen. Sie wollen die ihnen verhasste Gesundheitsreform stürzen – und zwar um jeden Preis.

Obamacare ist längst Gesetz

Was aber hat das eine mit dem anderen zu tun? Obamacare ist längst Gesetz. Seit diesem Dienstag, ebenfalls Null Uhr, sind weitere wesentliche Teile in Kraft getreten. Millionen nicht krankenversicherter Amerikaner sind nun verpflichtet, einer Kasse beizutreten. Und Betriebe ab einer bestimmten Größe müssen ihre Arbeitnehmer versichern.

Für uns Europäer ist diese allgemeine Krankenversicherungspflicht eine Selbstverständlichkeit, geradezu ein Menschenrecht. Doch etliche Amerikaner – und nicht nur rechte Extremisten – sehen darin einen tiefen Eingriff in ihre Freiheit und in ihr Selbstbestimmungsrecht.

Die US-Bürger geben den Republikanern die Schuld

Doch der Kongress stimmte Anfang 2010 mehrheitlich für Obamacare. Der Präsident unterschrieb das Gesetz und der Supreme Court, Amerikas oberstes Gericht, erklärte es im vergangenen Jahr für verfassungsgemäß.

Mit deutlicher Mehrheit wählten die Amerikaner überdies Barack Obama 2012 ein zweites Mal zum Präsidenten. Trotz und ebenso wegen Obamacare. Kurzum: Jeder Versuch der Rechten, Obamacare zu stoppen und den Präsidenten darüber zu stürzen, scheiterte.

Bislang gehörte es zu den Regeln der Demokratie, dass die politische Opposition das Votum des Volkes akzeptiert und wartet, bis sie in freien Wahlen selber die Macht erobert und die Verhältnisse umkehren kann. Nach dem Urteil des Obersten Gerichts verkündete sogar der Führer der Republikaner, der Sprecher des Repräsentantenhauses John Boehner, die Gesundheitsreform sei nun Gesetz. Punkt, Schluss.

Begreifen die gemäßigten Republikaner, was sie anrichten?

Doch die Ideologen halten sich nicht daran. Ihre Strategie, der sich die Partei unterworfen hat, lautet: Obama erhält nur dann mehr Geld, wenn er im Gegenzug seine Gesundheitsreform aufgibt oder zumindest ihre wesentlichen Teile um ein Jahr vertagt.

Die Ideologen nennen das Kompromissbereitschaft. In Wahrheit ist es Erpressung. Sie beklagen, dass sich Obama Verhandlungen mit ihnen verweigere. Aber was gibt es da zu verhandeln?

Möglicherweise steckt in dieser Tragödie gleichwohl ein Funken Hoffnung. Zu Recht geben die meisten Amerikaner den Republikanern die Hauptschuld an dieser Misere. Vielleicht begreift die Grand Old Party nun, was sie angerichtet hat, zügelt ihre Extremisten und wird endlich wieder politikfähig.

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