“Es ist fast so, als käme ich zu meiner eigenen Party nicht”: US-Präsident Obama ist frustriert, dass er seine Asienreise wegen des Haushaltsstreits absagen muss. China beobachtet den Streit in den USA mit Genugtuung. Das Problem ist nicht, dass Obama nicht auftauchte. Das Problem ist, warum er nicht auftauchte.
Eins zu null für China. So das Urteil in Asiens Medien über diese Woche. Präsident Xi Jinping und Premier Li Keqiang springen von einem Land zum anderen. Indonesien, Malaysia, Brunei, Thailand, Vietnam. Hier stehlen die Chinesen die Schau auf dem Apec-Gipfel, dort machen sie Schlagzeilen beim Treffen der Asean-Nationen. Hier verspricht Xi Investitionen in Höhe von 30 Milliarden Dollar, dort malt er den asiatischen Nachbarn eine rosige Zukunft “gemeinsamen Aufblühens” aus. Und Barack Obama? Sitzt zu Hause. Shutdown. “Es ist fast so, als käme ich zu meiner eigenen Party nicht”, sagte der US-Präsident diese Woche frustriert mit Blick auf seine abgesagte Asienreise.
Es muss Obama doppelt schmerzen, war er es doch, der Amerikas Außenpolitik die Hinwendung zum pazifischen Raum verordnete, der die Präsenz der USA im dynamischen Asien politisch, ökonomisch und militärisch ausbauen will: Hier braut sich die Zukunft zusammen, hier lauert der Rivale China. Das mediale Getöse um Obamas ausgefallene Reise ist nun groß, manche beschwören eine “diplomatische Katastrophe”, andere eine “Zeitenwende”.
Gar so apokalyptisch muss man das nicht sehen. Mal abgesehen davon, dass Diplomatie heute kein Nullsummenspiel ist, bei dem Peking “gewinnt”, wenn Washington “verliert”. An der Interessenslage in Asien hat diese Woche, hat die Absage des Besuchs erst einmal nichts geändert.
Ja, Peking ist gerade auf Charmeoffensive, und die Nachbarn wünschen sich nichts sehnlicher als ein gedeihliches Zusammenleben mit dem Riesen in der Region. Aber gleichzeitig vergessen sie keine Sekunde, dass das zunehmende Selbstbewusstsein Chinas in den vergangenen Jahren immer öfter in Arroganz und gar Aggressivität umgekippt ist, dass Chinas territoriale Ansprüche gefährliche Funken schlagen. Asiens Staaten fürchten China ebenso wie sie es bewundern und umwerben, und viele von ihnen wünschen sich heute wie vor einer Woche nichts mehr als ein Amerika, das dem Riesen Paroli bietet und in der Region Präsenz zeigt.
Das Problem ist deshalb auch nicht, dass Obama nicht auftauchte. Das Problem ist, warum er nicht auftauchte. Mit einem Mal wirkt das politische System der USA gefährlich defekt. Der angeblich mächtigste Mann der Welt hat seine eigene Regierung nicht im Griff. Er erlaubt der Opposition, seine Verwaltung lahmzulegen. Das bringt Asien aus zweierlei Gründen ins Grübeln. Zum einen ist es eine Steilvorlage für die Gegner der Demokratie: Seht her, das passiert, wenn eine Regierung die öffentliche Meinung und die politischen Kräfte nicht mit starker Hand kontrolliert. Dorthin führt Gewaltenteilung – nämlich zur fatalen Schwächung des Staates. “Die US-Demokratie von ihrer schwärzesten Seite”, schrieb nicht ohne Triumph die Zeitung Wen Wei Po, ein Sprachrohr Pekings.
Und jenseits des Wettstreits der Systeme verstärkt der Schwächeanfall der USA nun die Skepsis bei jenen, die zwar nicht am Willen des Landes zum Engagement in Asien zweifeln – allmählich aber an seiner Fähigkeit. Nicht wenige fragen, wie zuverlässig denn die Bündnisversprechen eines finanzpolitisch unverantwortlichen und politisch irrlichternden Washingtons sein können.
Nun sind die Zweifel der Asiaten an der Nachhaltigkeit des US-Engagements in ihrer Region nichts Neues, sie sind so alt wie das Engagement selbst, das auf den Zweiten Weltkrieg zurückgeht. Neu ist allerdings die öffentliche Selbstdemontage der ältesten und mächtigsten Demokratie der Welt vor den Augen derselben. Der Ausgang der Krise, die nächsten Schritte Obamas werden die Wahrnehmung mehr prägen als es die abgesagte Reise getan hat. China kann die USA in der Region nicht schlagen, das können nur die USA selbst.
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