Learning from the Farce

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Die Krise in Washington ist vorbei – bis auf weiteres. Der Rest der Welt kann nur hoffen, dass die USA ihre ideologische Zerrissenheit dieses Mal endgültig überwinden.

Die USA sind wieder zahlungsfähig. Darüber möchte man sich so unbeschwert freuen wie die Hunderttausenden Staatsbediensteten des noch mächtigsten Landes der Erde und viele Börsen weltweit. Doch alles in allem fällt der Jubel verhalten aus. Klar, eine mögliche Weltwirtschaftskrise ist verhindert. Und ja, US-Präsident Barack Obama und seine Gesundheitsvorsorge sind die Gewinner des wochenlangen Streits in Washington um Haushalt und Schuldenobergrenze. Die politischen Verlierer von der Partei der Republikaner muss man nicht bedauern. Sie haben sich halt verzockt. Den republikanische Parlamentspräsidenten John Boehner muss man schon gar nicht bemitleiden. Er hat aufs falsche Pferd gesetzt und seiner Partei damit nicht geholfen.

Schade ist es auf jeden Fall um die 24 Milliarden Dollar, die nach Rechnung von Experten der Streit der Politiker die US-Wirtschaft gekostet hat. Was hätten sie damit Gutes anfangen können: dringend benötigte Arbeitsplätze schaffen oder vorhandene sichern. Ähnliches gilt für die geistige Energie, die die politische Elite jenseits des Atlantiks für diesen letztlich unnützen Zank verschwendet hat. Wie viele konstruktive Vorschläge für die unzähligen Probleme hätten sie in derselben Zeit kreieren können?

Zeitlich begrenzter Kompromiss

Spätestens mit den Radikalen der Tea Party fängt es an, ärgerlich zu werden. Diese Uneinsichtigen haben mit dem zeitlich begrenzten Kompromiss einen Weg gefunden, die Obama-Administration zum Jahreswechsel erneut vor sich her zu jagen. Dann wird das Theater wieder losgehen. Am Ende müssen sie zwar wieder nachgeben. Doch davor werden sie die letzte Weltmacht erneut lähmen.

Wieder wird Obama Reisen absagen und damit nicht an dem einen oder anderen internationalen Problem mitarbeiten können. Darüber mögen sich Kritiker der Obama-Regierung freuen. Schließlich machen nicht alle Lösungsvorschläge Washingtons alle froh. Solange aber die USA etwa im Nahost-Konflikt oder beim Bürgerkrieg in Syrien maßgeblich zu einer Lösung beitragen könnten, ist es bedauerlich, wenn sie dies nicht tun. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Das trifft auch auf die nationalen US-Schwierigkeiten zu. Solange der ökonomische Riese hustet, wird die Weltwirtschaft schwächeln. Der weltweite Klimaschutz wird auch erst entscheidend vorankommen, wenn zwischen New York und Hawaii dieses Problem ernsthaft diskutiert wird und vor allem Änderungen beschlossen werden.

Der Rest der Welt muss also hoffen, dass die US-Amerikaner aus dieser Krise endlich lernen und die ideologische Zerrissenheit in der Gesellschaft sowie in Repräsentantenhaus und Senat überwinden. Sonst wird die politische Blockade die Innovationsfähigkeit der USA weiter schwächen. Die Hoffnung ist nicht unbegründet. 75 Prozent der US-Bürger lehnten das Etat-Theater ab. Wenn sie diesen Ärger bei den anstehenden Kongresswahlen im kommenden Jahr an den Urnen umsetzen, könnte dies der Anfang vom Ende der Bremser sein.

Bildungssystem muss reformiert werden

Dann könnte die Obama-Administration weitere drängende Probleme in Angriff nehmen. Das Bildungssystem muss reformiert, die Abhängigkeit vom Öl gemindert werden. Marode Straßen und Brücken müssen repariert werden, ein neues Einwanderungsgesetz ist überfällig. Oder anders formuliert: Erst wenn es dem einstigen Hoffnungsträger Barack Obama gelingt, die US-Wähler stärker als bisher hinter sich zu bringen, kann er selbst zum richtigen Sieger werden. Und alle würden profitieren.

Auf dieser Seite des Atlantiks könnten Politiker und Wähler ebenfalls aus dem Schmierenstück der US-Politik lernen. Schließlich sind die Probleme des alten Kontinents und des neuen vergleichbar. Auch hier sind die Folgen der Wirtschaftskrise bei weitem noch nicht überwunden, ist die Zahl der Arbeitslosen in den EU-Staaten viel zu hoch. Europa ist zudem weit davon entfernt, ein modernes und angemessenes Einwanderungsgesetz zu haben, wie die vielen Toten der jüngsten Bootsunglücke vor Lampedusa zeigen. Und bei den Klimazielen hat jüngst vor allem die Regierung Merkel falsche Zeichen gesetzt, statt den Einflüsterungen der Auto-Lobby zu widerstehen.

Doch statt die Probleme beherzt anzugehen, halten viele Verantwortliche ängstlich an bewährten, aber nicht konstruktiven Strategien fest, um zu bewahren, was nicht zu bewahren ist. Der Hinweis, der Wähler wolle das so, ist da oft lediglich eine Ausrede. Oder sie verlieren sich im Klein-Klein von Details. Noch schlimmer sind diejenigen vor allem am rechten Rand, die einfache Antworten auf schwierige Fragen geben. Kluge Antworten sind gefragt.

Und wir, die Wähler, sollten aufhören, mit einem ausgestreckten Zeigefinger auf die da oben – also Politiker oder Manager – zu zeigen. Hier gilt das alte Bonmot: Wer das tut, zeigt immer mit drei Fingern auf sich selbst.

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