Your Friend Is Listening, Too

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Freund im Ohr

Von Uli Schwemin

25.10.2013

Aufregung über NSA-Angriff auf Merkels Telefon. Toaste auf das enge Bündnis mit Washington. Trotz alledem.

Haben Sie es schon gehört? Angela Merkels Telefon ist abgehört worden. Von Freunden aus Amerika. Man weiß nicht, was man sagen soll. Im Fernsehen sagen sie, der Geheimdienst NSA soll es gewesen sein. Wieso ist die Merkel mit dem eigentlich befreundet? Jedenfalls hat sie gleich ihren anderen Freund Barack Obama angerufen, um sich zu beschweren. Der ist Friedensnobelpreisträger, und wahrscheinlich hat die Kanzlerin gedacht, um des lieben Friedens willen könnte der die NSA dazu bringen, solche schlechten Scherze zu unterlassen. Vielleicht liest sie keine Zeitung. Sonst wüßte sie, daß Obama Telefone nicht nur abhören läßt, sondern auch dazu benutzt, den Aufenthaltsort mißliebiger Personen auszukundschaften. Die werden dann per Knopfdruck und Drohnenangriff ausgeknipst. Allein in Pakistan seit 2004 nach Schätzungen mehr als 3600 Personen, über 900 davon Zivilisten. Frau Merkel bzw. ihr Geheimdienst liefern zu diesem Zweck übrigens hin und wieder die Telefonnummern. Daß sie sich daran nicht erinnern konnte. Oder hat sie nur einen Schreck bekommen, weil das Abhören nur die erste Stufe im Kampf gegen den Terror ist und das mit den Drohnen die zweite?

Aber im Ernst, noch läßt Obama in der BRD keine Morddrohnen fliegen. Er läßt noch nicht einmal Telefone abhören. Sagt er jedenfalls. Sein Sprecher teilte am Mittwoch mit, der Präsident habe der Kanzlerin versichert, daß die Vereinigten Staaten ihre Kommunikation weder »überwachen« noch »überwachen werden«. Ob sie sie in der Vergangenheit überwacht haben, dazu wurde die Stellungnahme ausdrücklich verweigert. Was das bedeutet, kann sich jeder selbst ausrechnen. Sogar die meisten Parteipolitiker waren damit nicht überfordert, wie ihre Stellungnahmen beweisen. Es war die Stunde der Heuchler und Pharisäer.

Der amtierende Verteidigungsminister Thomas de Maizière erklärte z.B.: »Wenn das zutrifft, was wir da hören, wäre das wirklich schlimm.« Und zu den Konsequenzen: »Die Amerikaner sind und bleiben unsere besten Freunde.« Wer diese Stellungnahme gelesen hat, hat alle gelesen, denn sie variieren nicht: Enttäuschung, Empörung und Trinkspruch auf die Freundschaft. Außer bei den Linken und Grünen, die der Regierung ihr bisheriges Abwiegeln in Sachen NSA-Abhörskandal um die Ohren hauen. Merkel hatte bisher immer nur betont, daß sie keinen Grund habe, an den Angaben »unserer amerikanischen Freunde« zu zweifeln. Für Innenminister Hans-Peter Friedrich hatten sich bereits im Sommer alle vom ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden erhobenen Spionagevorwürfe »in Luft aufgelöst«. Und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla hatte das Thema schließlich mit den Worten »die Vorwürfe sind vom Tisch« zu den Akten gelegt. Anders gesagt: Es war und ist der Bundesregierung schnurzpiepe, daß Millionen Menschen und Unternehmen in Deutschland von US-Geheimdiensten abgehört wurden und werden. Nur Merkel selbst und ihresgleichen möchten keine ungebetenen Gäste in der Leitung haben. Eine zumindest eigenwillige Auslegung des Grundgesetzes.

Rätsel gibt der Kommentar der Linken-Chefin Katja Kipping zur NSA-Einwahl in Merkels Telefon auf: »Das wäre der schwerste anzunehmende Vertrauensbruch unter Freunden«, sagte sie am Mittwoch abend der Nachrichtenagentur dpa. Vielleicht hat sie zuviel Schiller gelesen: »Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte.« Zum Aufräumen. Das scheint bitter nötig. Denn die USA, so wird Kipping auf Spiegel online zitiert, hätten »mit ihrem Vorgehen die gesamte nordatlantische Sicherheitsarchitektur irreparabel beschädigt«. Und das unter der Schockstarre der deutschen Kanzlerin. »Es ist bitter, daß erst Merkels Handy abgehört werden muß, bis sie das merkt.« Merkel habe »viel zu spät erkannt, daß die USA kein starkes Europa wollen«, so Kipping.

Falls die Kanzlerin so etwas wirklich erkannt haben sollte, muß sie es der Linken-Vorsitzenden wohl telefonisch mitgeteilt, öffentlich aber verschwiegen haben. Trotzdem wüßte es dann die NSA jetzt auch.

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