America Is Confusing Friend with Foe

<--

Die Amerikaner verwechseln Freund und Feind

Dass der US-Geheimdienst Angela Merkels Handy abgehört hat, ist ein starkes Stück – und eine Blamage für Präsident Obama.

Der Westen ist dabei, sich selbst zu demontieren. Die Führungsmacht USA kontrolliert beim wichtigsten europäischen Alliierten die persönliche Kommunikation der Regierungschefin. Das zerstört jegliche Vertrauensbasis. Niemanden würde es verwundern, wenn Amerikaner und Russen oder Amerikaner und Chinesen so miteinander umgingen. Aber Amerikaner und Europäer?

Natürlich haben politisch Nicht-Naive schon immer dunkel geahnt, dass die USA Feind wie Freund ausspionieren. Aber diesmal ist Washington zu weit gegangen. Barack Obama steht jetzt als ein Präsident da, der exzessive Schnüffelpraktiken seiner Geheimdienste duldet. Amerika meint, sich alles erlauben zu können – über diplomatische Spielregeln und internationale Konventionen hinweg. Nicht mehr zu glauben ist Obamas Versicherung, es gehe den US-Geheimdiensten ausschließlich um Sicherheitsbelange im Kampf gegen den Terrorismus. Vielmehr zählt einzig Amerikas Interesse, Vorteile durch Wirtschaftsspionage inklusive.

Ganz glaubwürdig klingt die Entrüstung der deutschen Regierung über den amerikanischen Lauschangriff trotzdem nicht. Noch im Sommer hat die Kanzlerin das Ausmaß der Abhöraktion heruntergespielt. Merkel, die viel per Mobiltelefon regiert, vermochte sich einfach nicht vorzustellen, dass sie selbst zum Ziel der Spione werden könnte. Statt Aufklärung zu verlangen, erklärte sie die Affäre voreilig für beendet. Krach mit der Supermacht USA passte nicht in das Wahlkampfprogramm der CDU/CSU.

In einem offenen Brief forderten deutsche Intellektuelle die Bundeskanzlerin auf, die Bürgerrechte gegen den Überwachungsstaat zu verteidigen. Jetzt muss sich Merkel vorwerfen lassen, dass sie den Eingriff in die Privatsphäre von Millionen Menschen nonchalant hingenommen und erst energisch reagiert hat, als sie selbst betroffen war. Im Unterschied dazu hat Brasiliens ebenfalls ausspionierte Präsidentin Dilma Rousseff einen Affront mit Washington riskiert, um gegen Amerikas neue Arroganz zu protestieren.

Die jüngsten Enthüllungen schreien nach einem einheitlichen, entschiedenen Handeln der Europäer. Wenn der Westen noch gemeinsame strategische Interessen verfolgt, müsste er den Daten-Dissens sofort klären. Im Internet-Zeitalter gibt es keine Räume nationaler Souveränität mehr. Um so dringlicher ist es, verbindliche internationale Rechtsnormen für die digitale Welt zu vereinbaren.

About this publication