Abkehr vom “Big Brother”
von Stephan-Andreas Casdorff
09:59 Uhr
Es ist Zeit, die USA mit unseren Werten und Maßstäben zu konfrontieren. Das am Fall Snowden durchzuexerzieren, machte Deutschland aber kleiner, als es ist. Die Emanzipation von “Big Brother” Obama muss auf anderem Wege funktionieren.
Es kommt nur sehr selten vor, dass eine einzelne Person es in dem Maße schafft, die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich zu ziehen und den Menschen Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu geben …
So schrieb das Komitee zur Verleihung des Friedensnobelpreises an Barack Obama. Für seine „außergewöhnlichen Bemühungen zur Stärkung der internationalen Diplomatie und zur Zusammenarbeit zwischen den Völkern“ erhielt er den Preis. Vier Jahre ist das her, und auf den Tag fünf Jahre, dass er US-Präsident wurde.
Was ist aus der Hoffnung geworden? Eine chaotische Haushaltspolitik lehrt die Welt das Fürchten, außerdem eine ultralaxe Geldpolitik. Dazu der Drohnenkrieg, Guantanamo und jetzt ein drohender Bruch in der Freundschaft der Deutschen und Europäer zu Amerika.
Sein Verständnis von Diplomatie gründet sich auf der Überzeugung, dass diejenigen, die in der Welt den Ton angeben, dies auf der Grundlage von Werten und Maßstäben tun, die der Großteil der Erdbevölkerung teilt …
Nicht in den vergangenen fünf Jahren, nicht in den vergangenen 50 Jahren hat es eine solche Lage gegeben. Europa und Deutschland geraten in einen Konflikt mit den USA, weil sie ihre Werte und Maßstäbe missachtet sehen, ausgelöst durch diese Ausspähung, die vom amerikanischen Geheimdienst NSA ausgeht. Deutschland erwägt, jenem Mann Asyl zu geben, Edward Snowden, der alles das aufgedeckt hat. Nur zur Erinnerung: Das ist jenes Deutschland, das seine Vereinigung nicht zuletzt den USA zu verdanken hat; das mit Amerika fundamental verflochten ist; Deutschland, das seine wirtschaftliche und politische Stärke in Europa auch daraus bezieht. Und dieses Land beginnt, sich abzuwenden?
Die einen fordern jetzt – mit Snowden und einer Befragung in Deutschland als letztem Anlass –, sich von diesem leibhaftigen „Big Brother“ zu emanzipieren. Mit anderen Worten: eine Art Abschied von der „Pax Americana“. Die anderen fordern, die Entfremdung nicht an diesem jungen Mann festzumachen, nicht ihn zum Ausgangspunkt einer Generalauseinandersetzung über amerikanische Politik zu machen. Das Paradoxe an dieser ohnedies paradoxen Situation: Beide haben recht.
Snowdon nach Deutschland zu holen, wäre eine quälende Provokation
Was glauben wir, das Snowden noch weiß? Seine Unterlagen hat er weitergegeben, sie werden nach und nach veröffentlicht. Seinen Beweggrund für die Veröffentlichungen hat er benannt. Das Verhalten der NSA ist bekannt. Snowden jetzt nach Deutschland zu holen statt ihn in Russland anzuhören, wäre darum vor allem ein demonstrativer Akt. Einer, den sich die Bundesregierung noch dazu vornehmen müsste, um ihn rechtlich möglich zu machen. Und so würde es eine Emanzipation durch Provokation; denn sie würde die USA quälen.
Das Komitee macht sich Obamas Aufruf zu eigen, dass ,nun die Zeit für uns alle gekommen ist, unseren Teil der Verantwortung zu übernehmen, um eine globale Antwort auf globale Herausforderungen zu finden’…
Möge sich die Bundesregierung dazu aufgerufen fühlen.
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