Der Crack-Bürgermeister
von THOMAS VIEREGGE
20.11.2013
Kanadier sind gemeinhin als schräg, verrückt oder gar als sozialistisch verschrien – zumindest aus Sicht ihrer südlichen Nachbarn, die deren Krankenversicherung schlicht für Teufelszeug halten.
Schön, sie haben Eishockey erfunden – den ruppigen Wintersport, der mitunter in einer Rauferei endet und auch in den USA große Popularität genießt.
Als wollte sie alle Klischees erfüllen, hat die Multikulti-Metropole nun mit einem Bürgermeister zu tun, den sie so leicht nicht wieder loswird. Torontos Stadtoberhaupt, Rob Ford, dem Äußeren nach ein aufgeplusterter ehemaliger Eishockey-Crack, hat gegen alle Regeln und Sitten verstoßen: Der 44-jährige Konservative rauchte eine Crack-Pfeife mit Unterweltbossen; er dröhnte sich nicht nur am St. Patrick’s Day zu, er rempelte Gegner verbal und auch physisch an.
Als ihn der Stadtrat, dem im Übrigen auch sein Bruder Doug als Einflüsterer angehört, entmachtete, schwadronierte Rob Ford von „Staatsstreich“. An Rücktritt denkt er indes nicht, stattdessen bleibt er bis zur nächsten Wahl in einem Jahr im Amt. Ein Fall für die Psychiatrie – oder für Hollywood, das neuerdings gern in Toronto dreht. Ein Teil der Wählerschaft goutiert indessen die Exzesse Fords.
Wer solches für kanadische Chuzpe hält, muss nur nach Süden blicken, nach Washington. Mithilfe einer Undercover-Agentin ertappte das FBI Bürgermeister Marion Barry 1990 in flagranti beim Crack-Rauchen im Hotel. Barry wanderte für ein halbes Jahr ins Gefängnis – und wurde 1995 wiedergewählt.
thomas.vieregge@diepresse.com
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