Amerika entrüstet sich über deutsche Lebenslügen
In New Yorks Deutschem Haus wurde über “Unsere Mütter, unsere Väter” diskutiert. Das Publikum war sich einig. Es ließ kein gutes Haar an der Weltkrieg-II-TV-Serie. Empört waren vor allem Überlebende.
Von Hannes Stein
Ob es denn auch etwas Gutes über den Film zu berichten gebe, wollte am Schluss eine junge Frau in dem voll besetzten Saal wissen. Sie zum Beispiel stamme aus Mexiko und habe mit europäischer Geschichte wenig am Hut. Aber nach “Unsere Mütter, unsere Väter” – eine Viereinhalb-Stunden-Fassung der Fernsehserie läuft derzeit in einem New Yorker Programmkino – sei sie sehr beeindruckt gewesen.
Dass dieser Film in Amerika auf so heftige Kritik stoße, verblüffe sie. Und so fragte die junge Mexikanerin: Wo bleibt das Positive?
Es ist wahr, dass die Gäste bei einer Podiumsdiskussion im Deutschen Haus – einer Außenstelle der New York University – kaum ein gutes Haare an dem erfolgreichen Film von Philipp Kadelbach und Stefan Kolditz ließen. Den Anfang machte Andrew Nagorski, ein ehemaliger Korrespondent von “Newsweek”, der heute für einen Thinktank arbeitet.
Verantwortung wird weggeschoben
Gleich zweifach werde in “Unsere Mütter, unsere Väter” historische Verantwortung von den Deutschen weggeschoben: Erstens, indem alle fünf Hauptfiguren einen Augenblick der moralischen Katharsis erlebten – am deutlichsten zwei Wehrmachtssoldaten, die am Schluss ihre Offiziere erschießen. Zweitens, indem der Antisemitismus nicht eigentlich den Deutschen, sondern den Polen angelastet werde – am deutlichsten in einer Szene, wo polnische Partisanen einen Zug mit KZ-Häftlingen überfallen und diese dann nicht befreien, sondern ihrem Schicksal überlassen.
Für diese Filmszene, sagte Andrew Nagorski, gebe es kein historisches Vorbild, sie sei frei erfunden. “Unsere Mütter, unsere Väter” stelle gegenüber der Wehrmachtsausstellung der Neunzigerjahre einen deutlichen Rückschritt dar.
Die Historikerin Atina Grossmann, die im Publikum saß – sie hat viele Bücher über deutsche und jüdische Geschichte veröffentlicht, zuletzt (2007) “Jews, Germans and Allies” – meinte ironisch, dies sei offenbar der passende Film zum jetzigen Zeitpunkt. “Unsere Mütter, unsere Väter” – das sei die Geschichte, die Deutsche der zweiten Generation nach dem Holocaust sich selbst erzählen. Sie gebrauchte das deutsche Wort “Lebenslüge”.
Warum wurde dieser Film subventioniert?
Sogar Oliver Mahrdt, dessen Beruf es eigentlich ist, ein Anwalt für deutsche Filme in Amerika zu sein, musste hilflos die Arme heben, als er gebeten wurde, den Erfolg von “Unsere Mütter, unsere Väter” zu erklären. Er wusste auch nicht, warum ausgerechnet dieser Film von deutschen Behörden subventioniert wurde.
Und dann waren da die Überlebenden. Ein 90-jähriger Veteran der polnischen Heimatarmee, der Juden gerettet hat, erzählte in sich überschlagendem Englisch, wie grausam die deutsche Besatzung war. Eine ältere Dame mit Pelzmütze, die als Jugendliche im KZ war, sagte stockend, sie könne nicht verstehen, warum ein Film solche Lügen verbreite.
Ein ehemaliger KZ-Häftling ist empört
Ein älterer Herr, auch er ein ehemaliger KZ-Häftling, meinte: Nicht einmal werde in diesem Film gezeigt, wie Deutsche Leute erschießen. Nicht ein einziges Mal. Dabei brach er in Tränen aus.
Wo bleibt das Positive? Eigentlich gibt es nichts, antwortete Oliver Mahrdt der jungen Mexikanerin. Aber gut, dass wir darüber geredet haben.
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