Fed-Kurswechsel
Christoph Eisenring, Washington Heute, 20. März 2014, 07:41
«Sanfte Landung» als Chimäre
Fast 900 Wörter enthält das jüngste Communiqué der amerikanischen Notenbank. Vor der Finanzkrise
wurden geldpolitische Beschlüsse jeweils in knapp 200 Wörtern kommuniziert. Auch die Bilanzsumme des
Fed hat sich im Vergleich zu 2007 fast verfünffacht. Dahinter stecken die Käufe von Staatsanleihen und
Hypothekenpapieren, mit denen die Notenbank die längerfristigen Zinsen drückt. Dies soll die Wirtschaft
zusätzlich ankurbeln, da der (kurzfristige) Leitzins bereits seit über fünf Jahren bei null ist. Von einer
Normalisierung der Geldpolitik ist das Fed jedenfalls noch meilenweit entfernt. Normalisierung hiesse
dabei zweierlei: Erstens sollten die Eingriffe in die Finanzmärkte mittels Anleihekäufen eingestellt werden.
Die Notenbanken fahren seit der Krise einen sehr interventionistischen Kurs. Gefragt wäre stattdessen
wieder ein zurückhaltenderes Auftreten, ein Wirken im Hintergrund. Zweitens sollte das Fed wieder primär
das anstreben, was es auch direkt in der Hand hat: ein stabiles Finanzwesen und stabile Preise. Dies ist
immer noch der beste Wachstumsbeitrag, den eine Notenbank leisten kann.
Wo das Fed in die richtige Richtung geht
Wie ist hier das Fed unter seiner neuen Chefin, Janet Yellen, unterwegs? Die Anleihekäufe werden
sukzessive zurückgefahren. Es sieht ganz danach aus, als würde das Fed im Herbst das dritte
Kaufprogramm abschliessen. Die Bilanzsumme dürfte dannzumal 4,4 Billionen Dollar betragen.
Ursprünglich hatte das Fed die Käufe damit begründet, dass nur die Notenbank in einer Notsituation die
Märkte mit Geld versorgen könne. Dies ist zweifellos richtig und hat Schlimmeres verhindert. Doch der
Nutzen des zweiten und des dritten Kaufprogramms bleibt unter Ökonomen äusserst umstritten. Selbst die
Fed-Chefin Yellen ist mittlerweile zur Einsicht gelangt, dass die Anleihekäufe ihren Zweck erfüllt haben. Es
müsste deshalb schon ein ziemliches Unwetter aufziehen, damit das Fed die Käufe wieder intensivierte. Bei
den Anleihekäufen hat die Notenbank also – wenn auch äusserst zaghaft – den Weg zu einer
Normalisierung eingeschlagen. Die stark aufgeblähte Fed-Bilanz – das Erbe von Ben Bernanke – macht
den Ausstieg jedoch zu einer Herausforderung erster Güte. So gilt es zu verhindern, dass die 2,7 Billionen
Dollar, die die Banken derzeit beim Fed parkieren, doch plötzlich den Weg in die Wirtschaft finden und dort inflationär wirken.
Ebenfalls in die richtige Richtung geht die am Mittwoch eingeleitete Änderung der verbalen Leitlinien
(«forward guidance»). So hat das Fed den Schwellenwert für die Arbeitslosenquote kurzerhand gestrichen:
Seit Dezember 2012 hatte es jeweils erklärt, den Leitzins frühestens zu erhöhen, wenn die
Arbeitslosenquote unter 6,5 Prozent gefallen sei. Derzeit beträgt die Arbeitslosenquote 6,7 Prozent. Sie war
unerwartet schnell gesunken – auch weil viele Amerikaner die Suche nach einer Stelle eingestellt haben. Die Episode illustriert nur, dass die Geldpolitik selbst kurzfristig die Arbeitslosenquote kaum steuern kann
– längerfristig ist dies ohnehin nicht der Fall, weil hier Faktoren wie Regulierung, Bildung, Steuerpolitik
oder technologische Entwicklung entscheidend sind. Eine Notenbank kann nur indirekt zu
Vollbeschäftigung beitragen, indem sie für stabile Preise und stabile Finanzmärkte sorgt. Dies ist in den
USA in den letzten Jahren zuweilen vergessen gegangen.
Versprechen von Niedrigzinsen als falsches Signal
Das Fed will nun wieder wie früher eine Vielzahl von Informationen über den Arbeitsmarkt und die
Teuerung beiziehen, wenn es über eine Leitzinserhöhung entscheidet. Hätte das Fed am Mittwoch hier
gestoppt, dürfte man getrost von einem weiteren Schritt hin zu einer traditionelleren Geldpolitik sprechen.
Doch das Communiqué ist auch so ausführlich geraten, weil der Offenmarktausschuss erstmals explizit
erklärt, den Leitzins länger als üblich niedrig halten zu wollen, auch wenn sich Teuerung und
Arbeitslosenquote schon fast normalisiert hätten.
Derzeit kann niemand etwas gegen einen niedrigen Leitzins haben, da der Inflationsdruck gering ist und die
Teuerung mit 1,2 Prozent unter den angestrebten 2 Prozent liegt. Aber quasi zu versprechen, dass der
Realzins (Leitzins minus Inflation) auch Ende 2016 noch äusserst niedrig sein werde, ist riskant. Der
Ausstieg aus der sehr lockeren Geldpolitik dürfte sich vielmehr schwieriger und unberechenbarer gestalten
als in normalen Zeiten. Das Fed setzt darauf, mit einer ersten Zinserhöhung Mitte 2015 und anschliessend
einer langsamen Normalisierung eine «sanfte Landung» der Wirtschaft hinzubekommen. Wer an eine
solche Feinsteuerung der Konjunktur glaubt, traut der Geldpolitik jedoch (zu) viel zu. Die letzte Krise hält
eine andere Lektion parat: Eine Ursache war gerade, dass die Geldpolitik zuvor den Leitzins zu lange zu
niedrig gehalten hatte. Was als «sanfte Landung» gedacht ist, kann jedenfalls zu einer «Bruchlandung»
führen, wenn die Währungshüter zu spät bremsen.
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