Obama will angekratzte Beziehung mit Japan kitten
US-Präsident Obama versucht sich als Streitschlichter zwischen Südkorea und Japan, um China im Zaum zu halten. Doch sein Verhältnis zu Premier Abe ist von Misstrauen geprägt. Viel steht auf dem Spiel.
Wenn sich US-Präsident Barack Obama und der japanische Premierminister Shinzo Abe am Donnerstag treffen, haben sie nicht viel Zeit, Höflichkeiten auszutauschen. Die beiden Bündnispartner müssen eine Reihe sicherheitspolitischer, strategischer und wirtschaftlicher Fragen klären. Ihre bilaterale Beziehung steht auf dem Spiel.
Abe hofft, dass sich die USA klar zu ihrer militärischen Allianz mit Japan bekennen. Für Obama ist das Gipfeltreffen ein weiterer Baustein seiner Asienstrategie: Er versucht sich als Streitschlichter zwischen Südkorea und Japan, um dadurch den unsichtbaren Dritten, der bei allen Gesprächen im Raum sein wird, diplomatisch im Zaum zu halten: China.
Das Verhältnis von Abe und Obama gilt als von Misstrauen geprägt. Erst soll Obama nach nur einer Nacht in Tokio habe weiterreisen wollen, das ist eigentlich zu kurz für einen vollen Staatsbesuch. Am Ende sagte er doch zu, länger zu bleiben. Zu besprechen gibt es inzwischen mehr, als Obama lieb sein dürfte. Nach einigen Meinungsverschiedenheiten in den letzten Monaten kamen Zweifel auf, ob die USA auf Japan als verlässlichen Partner in Asien zählen können. Umgekehrt fragte man sich in Japan, ob man auf die Hilfe der USA im Fall eines militärischen Zwischenfalls, etwa mit China oder Nordkorea, weiter zählen könne.
Japan provoziert China und Südkorea
Zu den Verstimmungen trug bei, dass der bekennende Nationalist Abe trotz der vehementen Warnung der USA Ende Dezember 2013 den umstrittenen Yasukuni-Schrein im Zentrum Tokios besuchte. Dort werden neben im zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten Männer verehrt, die als Kriegsverbrecher gelten. China und Südkorea betrachten das als Affront. Sie unterstellen, dass Japan seine imperialistische Vergangenheit wieder aufleben lassen will.
Beide können und wollen aus verschiedenen Gründen nicht vergessen, dass Japan ihre Länder angriff und teils kolonialisierte. Im Dezember sollen die USA versucht haben, Abe in einem einstündigen Telefonat von dem Schrein-Besuch abzuhalten – vergeblich. Nur wenige Stunden danach reagierten die USA mit einer Erklärung, dass man von Japan “enttäuscht” sei.
Trotzdem gingen kurz vor Obamas Ankunft in Tokio wieder rund 150 Abgeordnete und Kabinettsmitglieder zum Yasukuni-Schrein – mit den üblichen Reaktionen bei den asiatischen Nachbarn. Abe verzichtete dieses Mal und schickte wie immer ein Geschenk. Doch das dürfte ausreichen, um die USA erneut zu verärgern, zumal sich jene seit Längerem bemühen, ihre asiatischen Bündnispartner Japan und Südkorea zu versöhnen. Erst Ende März hatte Obama am Rande des Atomsicherheitsgipfels in Den Haag die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye und den japanischen Premier Abe zu einem offiziellen Gespräch zusammengebracht, das erste dieser Art, obwohl sie beide bereits über ein Jahr im Amt sind. Zu dritt diskutierten sie über die regionale Sicherheit im Hinblick auf Nordkorea und seine Raketen- und Nukleartests.
Konfliktpotential sind die japanischen “Trostfrauen”
Das Verhältnis von Park und Abe, beide stammen aus konservativen politischen Dynastien – Parks Vater war Präsident von Südkorea, Abes Großvater Nosusuke Kishi war Premierminister – ist so schlecht wie schon lange nicht mehr zwischen zwei ostasiatischen Staatsoberhäuptern. Der Stein des Anstoßes ist neben einem schwelenden territorialen Konflikt um eine Insel, die Südkorea Dokdo und Japan Takeshima nennt, die Frage der “Trostfrauen”. So beschönigend nannte man in Japan Frauen, vor allem Chinesinnen und Südkoreanerinnen, die von der kaiserlichen japanischen Armee in den 1930ern und 1940ern in die Prostitution gezwungen wurden. Von mehreren Hunderttausend ist die Rede.
Premier Abe ist jedoch dafür bekannt, dass er die Existenz der Zwangsprostitution abstreitet. Erst vor wenigen Wochen sagte er, er wolle die “Kono-Erklärung”, eine Entschuldigung für die Zwangsprostituierten, noch einmal untersuchen, mit anderen Worten, sie rückgängig machen. Doch auf Druck der USA nahm er davon inzwischen wieder Abstand.
Immer wieder scheint Abe testen zu wollen, wie weit er gehen kann, um Japans Profil als eigenständige – von den USA unabhängige – Nation zu schärfen, ohne die USA dauerhaft zu verprellen. Dabei hatte es zunächst so ausgesehen, als würde er sein erzkonservatives Gedankengut zugunsten pragmatischer Politik und zugunsten seiner “Abenomics” genannten Wirtschaftspolitik zurückstellen. Erstmals seit vielen Jahren hatte er es geschafft, der japanischen Wirtschaft wieder ein Gefühl von Optimismus einzuhauchen.
Treffen zielt auf wirtschaftliche Kooperation
Getragen von ungewöhnlich guten Wahl- und Umfrageergebnissen schaffte er es sogar, die seit Jahren angestrebte Mehrwertsteuererhöhung von fünf auf acht Prozent durchzusetzen und gegen den Widerstand seiner Stammwähler aus den ländlichen Gebieten Japan in die Verhandlungen um das transpazifische Partnerschaftsabkommen (TPP) einzutreten. Das von den USA geführte Freihandelsabkommen würde für Japan bedeuten, dass es auf viele sehr hohe Schutzzölle, etwa auf Reis und Rind, verzichten müsste. Die Verhandlungen darüber kamen in den letzten Wochen allerdings ins Stocken. Umso wichtiger ist für Abe und Obama, bei ihrem Treffen auf politischer Ebene Erfolge zu erzielen.
Wenn er sich der anhaltenden Unterstützung der USA vergewissern will, muss Abe seine nationalistische Gesinnung, die in den letzten Monaten immer stärker an die Oberfläche drängte, wieder etwas zügeln. Damit belastet er, zur Sorge der USA, das ohnehin schon zum Zerreißen gespannte Verhältnis zu China immer noch weiter. Seit 2012 ist zwischen den beiden Nationen ein alter Konflikt neu aufgeflammt: Sie streiten sich um eine Inselgruppe, die in China als Diaoyu bekannt ist und die Japan Senkaku nennt.
Lange lag die ungeklärte Lage der Insel zugunsten von wichtigeren Themen, wie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, auf Eis. Doch inzwischen arbeiten beide Seiten an ihrem nationalen Selbstbewusstsein. Dafür kommt ihnen der Inselstreit ganz gelegen. Es gibt ihnen eine Ausrede dafür, ihr Militär zu modernisieren und das Budget dafür zu erhöhen. Abe kann Kritikern entgegenhalten, dass sich in einem solchen sicherheitspolitischen Umfeld nicht mehr rechtfertigen lässt, dass Japan, wie in seiner pazifistischen Verfassung von 1947 in Artikel 9 festgeschrieben, nur eine “Selbstverteidigungsarmee” hat.
Obamas balanciert mit den asiatischen Verbündeten
Ginge es nach Abe, würde er diesen Artikel ändern. Da dies jedoch politisch schwierig ist, arbeitet er derzeit an der nächstbesten Lösung: einer Neuinterpretation der Verfassung. Läuft alles nach Abes Plan, würde dies ermöglichen, dass Japan zum Beispiel Bündnispartnern wie den USA helfen kann, würden diese angegriffen. Kritiker sehen darin jedoch einen Schritt zurück in die militärische wie imperialistische Vergangenheit Japans.
US-Präsident Obama muss bei seinem Besuch den Spagat schaffen, sich und die USA nicht von Japan in die territorialen Konflikte hineinziehen zu lassen, seinem Bündnispartner aber andererseits auch klar Unterstützung zu demonstrieren. Das ist auch für seinen eigenen Status als Staatsmann wichtig: Denn als Russland kürzlich die Krim annektierte und die USA bisher nicht nennenswert eingriffen, fragten sich viele asiatische Bündnispartner, wie die USA wohl reagieren würden, wenn China umstrittene Gebiete annektierte.
China hatte Obama mit seiner Reise nicht integriert. Mit der Reise wollte er auch zeigen, dass die USA Peking nicht das Terrain überlassen wollen. Doch Obama bemühte sich um das Glätten der Wogen. Der Zeitung “Yomiuri” sagte Obama: “Mit anderen Worten sagen wir, wir befürworten ein China, das stabil, friedvoll und wirtschaftlich wächst, und dass es eine verantwortungsbewusste Rolle übernimmt.” Er fügte hinzu: “Unser Engagement mit China wird nicht auf Kosten Japans oder anderer Verbündeter gehen.”
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