Obama's Foreign Policy

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Obamas Außenpolitik

Weltpolizist a. D. in Not

“Defensiv, nervös und zeitweise realitätsfremd”: US-Präsident Obama gerät wegen seiner Außenpolitik unter Druck, nicht nur in der Ukraine-Krise unterstellen ihm seine Gegner Schwäche. Dabei wünschen auch die US-Bürger “eine weniger aktive Rolle Amerikas” in der Welt.

Für einen wie den altgedienten Republikaner-Senator John McCain, den außenpolitischen Falken, geht die Krise in der Ukraine mit einem Gefühl der eigenen Ohnmacht einher. Kann denn nicht mehr getan werden, um Russland abzuschrecken? Gepaart mit der Ohnmacht kommt die Wut. Zu besichtigen in der vergangenen Woche, als sich McCain bei einer Anhörung im Senat die Regierung vorknöpfte:

McCain: “Wie wurden die von uns bereitgestellten Fertiggerichte an die ukrainische Armee ausgeliefert?”

Vertreterin des Verteidigungsministeriums: “Von einer deutschen Firma.”

McCain: “Und dann wurden sie mit einem US-Flugzeug nach Kiew geflogen?”

Verteidigungsministerium: “Nein.”

McCain (ironisch): “Natürlich nicht, das wäre wohl zu provokant gewesen. (Gelächter) […] Wurden Nachtsichtgeräte, Schutzwesten und andere nicht-letale Unterstützung geliefert?”

Verteidigungsministerium: “Noch nicht.”

McCain: “Können Sie mir bitte erklären, was daran provokativ sein könnte, Schutzwesten an Soldaten zu liefern, in deren Land gerade russische Spezialeinheiten eingedrungen sind?”

Verteidigungsministerium: “Niemand nennt das provokativ.”

McCain: “Warum haben wir ihnen nicht mal Schutzwesten gegeben?”

Verteidigungsministerium: “Wir werden uns weiterhin mit dieser Sache befassen.”

McCain: “Verstehe. […] Ich darf meiner tiefen Enttäuschung über Sie Ausdruck verleihen.”

Noch nicht mal Schutzwesten. Diese Szene illustriert, wie Kritiker den US-Präsidenten in der Außenpolitik sehen: zu weich, zu ängstlich, zu schwach. Der Konflikt mit Russland? Nur die Spitze des Eisbergs. Da sind zudem der syrische Bürgerkrieg, der fehlgeschlagene Arabische Frühling, Chinas Gebietsansprüche. Die Schutzwesten sind nur die neueste Metapher in der Erzählung vom schwachen Obama.

Unglückliche Baseball-Vergleiche

“Defensiv, nervös, widersprüchlich und zeitweise realitätsfremd” sei der Präsident, hat ihm der konservative Kolumnist Charles Krauthammer attestiert. Schon seit Jahren versucht Amerikas Rechte, Obama als Neuauflage des unglücklichen Vorgängers Jimmy Carter zu brandmarken. Nun, unter dem Eindruck der Ukraine-Krise, scheint sich diese Ansicht über die einschlägigen Kreise hinaus zu verbreiten. Nur noch 38 Prozent der US-Bürger bewerten Obamas Außenpolitik positiv, ergab eine NBC-Umfrage.

Obama selbst ist daran nicht ganz unschuldig.

So kam es jüngst beim Besuch im philippinischen Manila zu einem denkwürdigen Auftritt, als Obama seine Politik zu verteidigen suchte: “Warum sind alle so begierig darauf, unser Militär einzusetzen, wo wir doch gerade ein Jahrzehnt der Kriege hinter uns haben?”, fragte er verärgert – und machte damit den Schattenboxer. Denn niemand, nicht einmal der Senator McCain, fordert einen Militäreinsatz in der Ukraine.

Obama weiter: Sanktionen gegen Russland verhänge man ja nicht, “weil irgendjemand in einem Washingtoner Büro denkt, das könnte stark wirken”. Natürlich sei das “nicht immer sexy”. Und schließlich machte er mit einem vielsagenden Baseball-Vergleich sein Verständnis von Außenpolitik deutlich: Meist komme man mit einem erfolgreichen Schlag allein zur ersten (Single) oder zweiten Base (Double); nur hin und wieder gelinge ein Home Run.

Die Sache mit dem Baseball hat eingeschlagen. “Entweder sagen Präsidenten, dass sie den Ball über die Stadionbegrenzung hinaus hämmern werden, oder sie sagen besser gar nichts”, kommentiert David Ignatius in der “Washington Post”. Stärke und Glaubwürdigkeit seien schließlich “der Kitt, der ein auf Normen basierendes internationales System zusammenhält”. Und Maureen Dowd, Kolumnistin der “New York Times”, meint: “Einer, der nur Singles schlägt, jagt niemandem Angst ein. Führung geht anders.” Der britische “Economist” hob das Ohnmachtsgefühl gleich auf den Titel: “Wofür würde Amerika kämpfen? Die Frage, die seine Alliierten quält.” Letztlich sei doch amerikanische Macht nicht einmal halb so angsteinflößend wie deren Abwesenheit.

Wie schwach, wie stark ist Obama wirklich?

Obama hat zwei Kriege beendet und keinen neuen begonnen

Ist es Schwäche, wenn sich ein Präsident nach Jahren der Machtüberdehnung durch seinen Vorgänger einer Politik des graduellen Rückzugs verschreibt? Tatsächlich ist die bisherige außenpolitische Bilanz des Präsidenten gar nicht so schlecht: Obama hat zwei Kriege beendet und keinen neuen begonnen; Iran wurde an den Verhandlungstisch gezwungen; Osama bin Laden ist tot. Auf der Negativseite steht ein zwischenzeitlich ausgeuferter Drohnenkrieg, die NSA-Spähaffäre, das neuerlich vom Militär beherrschte Ägypten, Stillstand in Nahost.

Und vor allem die Causa Syrien. Hier hat Obama den wohl folgenreichsten Fehler begangen: Er hat mit Blick auf den Einsatz von Chemiewaffen eine rote Linie gezogen, die er dann selbst nicht beachtet hat. Anders gesagt: Obama hat einen Home Run angekündigt, doch dann den Schläger fallen lassen. Ironie der Geschichte, dass ihn ausgerechnet Wladimir Putin aus dieser Klemme befreit hat, indem er den Diktator Assad zur Aufgabe seiner C-Waffen drängte.

Nun findet Außenpolitik allerdings nicht im luftleeren Raum statt, sondern stets im Kontext. Obama wollte sich deshalb von Beginn an aus Syrien heraushalten, weil er dort einen zweiten Irak für Amerika fürchtet: Die sinnlose militärische Verwicklung in einem weiteren arabischen Land. “Wenn Bushs Außenpolitik eine Reaktion auf 9/11 war, dann ist Obamas Außenpolitik die Reaktion auf die Reaktion”, hat Präsidenten-Biograf David Remnick im “New Yorker” bemerkt. Hinzu kommt: Die Amerikaner wollen nicht mehr der Weltpolizist sein. Der schon erwähnten NBC-Umfrage zufolge wünschen sich sogar 47 Prozent der Befragten eine “weniger aktive Rolle in der Welt” für ihr Land.

US-Alleingänge bringen nichts

Auffällig, dass sich die Leute zwar mehr Zurückhaltung wünschen, Obama aber für genau diese Politik schlechte Noten geben. Da steckt die Wahrnehmung von Schwäche drin. Um das zu ändern, muss Obama nicht nur seine eigens gesetzten roten Linien achten; er braucht vor allem strategische Partner. Denn was bringt ein multilateral gesinnter Anführer der freien Welt, wenn keiner mit ihm zusammenarbeiten will? Für einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern braucht es ja nicht nur einen starken, vermittelnden US-Präsidenten, sondern auch den Willen der beiden Parteien. Und für Sanktionen gegen Russland braucht es die Einigkeit des Westens, US-Alleingänge und europäische Drückebergerei führen zu nichts.

Klar ist: Die Außenpolitik Amerikas unterliegt Zyklen. Auf eine Reihe ausgreifender Präsidentschaften folgen solche des Rückzugs – und umgekehrt. Auf Carter folgte Reagan, nach Bush junior kam Obama. Wenn sich Obamas Ansatz nun als erfolgreich erweist – Iran? Russland? – dann wird er wohl fortgesetzt werden. Wenn nicht, wird justiert. In keinem Fall aber wird Obama einen solch dauerhaften Schaden hinterlassen wie sein direkter Vorgänger.

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