No Alcohol Until 21

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Alkohol erst ab 21

In den USA kann Nacktsein teuer werden und wer einem 18-Jährigen ein Bier anbietet, kann verurteilt werden. Aber Waffen besitzen und Auto fahren darf fast jeder.

Im Dossier der aktuellen ZEIT geht es um Regeln: Gibt es in Deutschland zu viele Verordnungen, Vorschriften und Verbote? Hier berichten Korrespondenten, wie es in ihren Ländern mit den Regeln aussieht. Folge 1: USA

In fast allen US-Bundesstaaten ist es jungen Menschen erst im zarten Alter von 21 Jahren gestattet, Alkohol zu trinken. Sie dürfen aber mit 18 in den Krieg ziehen und für ihr Land sterben. Diese strikte Alkohol-Regel führt zu absurden Konsequenzen: Schüler treffen sich nach der Schule zu Besäufnissen in den Kellern ihrer Elternhäuser und sobald sie aufs College gehen, geraten sie außer Rand und Band und besaufen sich bis zur Besinnungslosigkeit. Nicht selten kommt es dabei auch zu Sexparties, die außer Kontrolle geraten und zu Vergewaltigungen führen. Mehr als 100 College-Direktoren haben deshalb für eine Senkung des Trinkalters plädiert.

In Virginia wurde eine Mutter vor ein paar Jahren angeklagt. Ihr Verbrechen: Sie hatte ihrem Sohn und seinen sämtlich über 16 Jahre alten Partygästen erlaubt, Bier zu trinken. Vorsichtshalber hatte sie zuvor alle Autoschlüssel eingesammelt, damit sich niemand hinters Steuer setzen konnte. Eltern eines Gastes zeigten die Mutter später wegen “Verleitung Minderjähriger zum Alkoholgenuss” an. Nach mehreren Verhandlungen kam sie mit einer Geld- und Bewährungsstrafe davon.

Eines Nachts erhielt ich um drei Uhr einen Anruf meiner Tochter mit der Bitte, sofort zu kommen. Sie war auf einer Party des Sohnes eines argentinischen Diplomaten. Sie fand in der Garage statt und Nachbarn hatten die Polizei gerufen. 14 Jugendliche hatten sich fünf Bierdosen geteilt. Bis auf den Diplomatensohn und meine Tochter waren alle anderen Gäste unter die Betten im Haus geflüchtet. Ich überzeugte die Polizisten, dass fünf Dosen kein Grund zur Aufregung seien. Sie wollten gerade abfahren, da stürzte der Diplomatenvater aus dem Haus und beklagte sich wütend, die Beamten hätten ohne Durchsuchungsbefehl die Garage betreten. Dies sei aber Diplomatenterrain. Darauf sagten die Beamten cool, nun sei es eine Staatsaffäre und man müsse das Außenministerium in Kenntnis setzen. Die Folge: Alle Personalien wurden aufgenommen und die noch erreichbaren Jugendlichen mussten sich einem Alkoholtest unterziehen. Zum Glück war das Ergebnis bei meiner Tochter negativ.

Waffen für fast alle erlaubt

Der Waffenbesitz ist von Staat zu Staat völlig unterschiedlich geregelt, aber grundsätzlich dürfen nach dem Bundesgesetz Handfeuerwaffen und die Munition dafür nur an mindestens 21-Jährige verkauft werden, Jagdgewehre samt Munition allerdings zum Teil bereits an 18-Jährige. Handfeuerwaffen können 18-Jährige gleichwohl legal besitzen (nicht kaufen), wenn sie diese zum Beispiel geschenkt, vererbt oder geliehen bekommen. Mit elterlicher und behördlicher Erlaubnis können sogar noch jüngere Menschen Waffen halten, wenn sie besondere Aufgaben erfüllen (der einzige “Mann” im Haus), in der Landwirtschaft arbeiten oder abgelegen wohnen.

Grundsätzlich darf man nur aus Notwehr oder Nothilfe auf eine andere Person schießen. Niemandem ist erlaubt, dem Angreifer nachzustellen, ihn zu verfolgen. Und jeder muss, wenn es einen anderen Ausweg aus der Notlage gibt, diesen Ausweg wählen. Doch in verschiedenen Staaten gibt es das sogenannte stand-your-ground-Gesetz. Auf dessen Grundlage muss niemand vor der Gefahr weglaufen. Sondern darf nachstellen, verfolgen, Sheriff spielen. Dieses Gesetz stand auch im Zentrum des Falls von Trayvon Martin. Der unbewaffnete Jugendliche war im Bundesstaat Florida auf dem Heimweg von dem Nachbarschaftswächter George Zimmerman erschossen worden – der später wegen dieses Gesetzes frei gesprochen wurde. Gerade erst wurde ein Hamburger Austauschschüler in Montana erschossen, weil er, sozusagen als Mutprobe, aus einer offen stehenden Garage in der Nachbarschaft ein Bier stehlen wollte. In diesem Bundesstaat gibt es ein Gesetz, das in Anlehnung an das sogenannte Castle-Law erlaubt, Haus und Hof mit einer Schusswaffe zu verteidigen.

Autofahren ist Freiheit

Von Bundesstaat zu Bundesstaat gibt es unterschiedliche Verkehrsregeln. So war es bis vor einiger Zeit in Maryland erlaubt, beim Autofahren mit dem Handy SMS zu schicken und zu telefonieren, nicht aber in der Hauptstadt Washington DC, obwohl diese ohne markierte Grenzen in die benachbarten Bundesstaaten Maryland und Virginia übergeht. Die Unfallgefahr war durchs Texten und Telefonieren am Steuer stark gestiegen und wird noch dadurch erhöht, dass es nur selten die Rechtsfahrpflicht gibt. Jeder darf auf jeder Spur fahren und überholen. Das unkonzentrierte Fahren führt darum häufig zu Karambolagen.

Zwar liest man immer wieder Warnschilder und Aufrufe mit “pedestrians are our priority!” Aber im wirklichen Leben gelten Fußgänger in den USA nichts. Da man hier fast überall bei rot rechts abbiegen darf, warten die Fußgänger aus Angst, überfahren zu werden, meist selbstverständlich, obwohl sie gerade grün haben. Fußgänger bedanken sich, wenn ein Auto doch anhält oder laufen wie angeschossene Hasen über den Fußgängerüberweg. Ihre Angst ist nicht unberechtigt. Ich habe oft erlebt, wie mir Autofahrer fast über die Füße gefahren sind.

Mit Schuld daran trägt die schlechte Fahrausbildung. Fast überall im Land setzen sich Eltern neben ihre Kinder (der Führerscheinerwerb ist mit 16 möglich) und üben. Natürlich haben sie auf der Beifahrerseite kein Bremspedal und oft in der Mitte auch keine Handbremse für den Notfall, denn die besteht oft aus einem zusätzlichen Fußpedal auf der Fahrerseite. Die praktische Führerscheinprüfung ist lachhaft, sie findet in den meisten Bundesstaaten auf einem Übungsplatz der Kraftfahrzeugbehörde statt – ohne Autoverkehr!

Um niemanden zu diskriminieren, darf die Fahrprüfung auch in Spanisch abgelegt werden. Manche können kein Wort Englisch – und können deshalb auch nicht die Verkehrsschilder lesen, die meist nicht zweisprachig sind. Zum Beispiel das an manchen Ampeln ausgeschriebene Verbot, bei Rot nicht rechts abzubiegen.

Wir Deutsche mussten jedoch unseren Führerschein hier nachmachen – theoretisch wie praktisch. Zum Theorietest gehörte, dass wir die Gesetze auswendig lernten, die genau beschreiben, was passiert, wenn man als 16-Jähriger mit Alkohol am Steuer erwischt wird. Wir mussten überdies einen Alkohol- und Drogenkurs belegen, der hauptsächlich aus traurigen Berichten von Unfallopfern und deren Angehörigen bestand.

Überhaupt: Beim Autofahren darf sich kein Alkohol in der Nähe des Fahrers befinden – außer im fest verkorkten Zustand. Neulich waren meine Frau und ich in einem Restaurant in Virginia und haben jeder ein Glas Rotwein getrunken, was Autofahrern gestattet ist. Da die Flasche nur zur Hälfte geleert war, nahmen wir sie mit. Der Kellner packte sie in eine braune Tüte, denn Alkohol darf fast überall in Amerika nicht offen auf der Straße herumgetragen werden, sondern muss unsichtbar sein. (Als wüsste inzwischen nicht jeder, was in der braunen Tüte steckt…) Außerdem wies uns der Kellner darauf hin, dass wir die angebrochene und nur locker mit dem Korken verschlossene Flasche nach den Gesetzen des Staates Virginia im Kofferraum verstauen müssten. Die Hinterbank reiche nicht, denn der Fahrer könnte dort die Flasche vom Fahrersitz aus immer noch mit seinen Armen erreichen.

Ein weiteres Problem ist das Alter. Ist gibt hier kein Gesetz, das vorschreibt, dass man ab einem bestimmten Alter wieder seine Fahrtüchtigkeit unter Beweis stellen muss – oder auch nur seine Sehfähigkeit. Das hängt zum einen mit dem Mangel an öffentlichen Transportmitteln zusammen. Alte Menschen wären bei strengeren Fahrgesetzen weitgehend immobil.

Zum anderen hängt es mit dem weiten amerikanischen Freiheitsbegriff zusammen, der übrigens gegen die Anschnallpflicht, die inzwischen fast überall gilt, und gegen das Telefonier- und Textverbot, das längst nicht überall gilt, ins Feld geführt wird. Ich habe am Eingang unseres Mietshauses erlebt, wie eine Pflegerin eine alte Dame, die kaum noch laufen konnte, erst mit deren Oberkörper hinter das Steuer hievte und dann die Beine nachschob. Mein Gott, wie soll die jemals schnell auf die Bremse treten können?

Über Sex reden und Nacktheit sind verpönt

In Amerika werden noch immer unverhältnismäßig viele Minderjährige schwanger. Doch Aufklärungsunterricht darf selbst in so liberalen Gegenden wie Washington nur dann stattfinden, wenn Eltern zuvor zugestimmt haben. Beziehungsweise dürfen Eltern ihre Kinder von diesen Lehrstunden befreien.

In der High School unserer jüngeren Tochter gab es die Regel, angemessen gekleidet zu sein. Dazu gehörte auch das Verbot, Spaghettiträger-Hemden zu tragen. Doch nach der Schule stülpen sich Schülerinnen oft derart enge Höschen und weit ausgeschnittene Blusen über, dass sie in der Herbertstraße stehen könnten. Hier klaffen das Anstandsgebot der Schule und die Wirklichkeit danach weit auseinander.

Es gibt wohl auch kaum ein Land der Erde, in dem fast jedes zweite Wort fuck lautet. Doch die Medien senden regelmäßig ein Piepsignal, wenn das Wort fällt, die Zeitungen drucken stattdessen eine Leerstelle oder nur den Buchstaben f. So wurde die Fernsehübertragung des preisgekrönten der Raps beim Emmy-Award dauernd vom Piepen unterbrochen

Auch mit Nacktheit haben viele puritanische Amerikaner immer noch ein Problem. In Kalifornien prosperiert zwar die größte Pornofilmindustrie der Welt. Aber in Idaho wurde ein Mann zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil er nackt durch seinen Garten rannte. Und selbst hier im liberaleren Osten wurde ein Mann angeklagt, weil er nackt in seiner Wohnung herumlief und von einem Nachbarn durch den Vorhang hindurch gesehen werden konnte.

Schadensersatz führt zu Schulausfall

In keinem anderen Land werden derart horrende Schadensersatzklagen erhoben – und Millionensummen gezahlt. Das hat verrückte Konsequenzen: In Kauf- und Mietshäusern warnen überall Schilder vor nassen Böden. Plastiktüten enthalten mitunter den Hinweis, sie nicht über den Kopf zu ziehen, denn das könnte tödliche Konsequenzen haben. Beim Arztbesuch muss man sich durch einen Wust von Erklärungen und Haftungsausschlüssen arbeiten, bevor man den Doktor zu sehen bekommt. Meine Frau musste neulich beim Optiker eine Erklärung unterschreiben, die sie darauf hinwies, dass er nur für Schäden an den Gläsern haftet, aber nicht am Brillengestell, denn das stamme von einem anderen Hersteller.

Das Haftungsproblem führt auch dazu, dass im Winter bei Eis oder Schnee oft die Schule ausfällt, denn bei diesem Wetter könnten Schulbusse schneller in einen Unfall geraten und die Kinder sich beim Ein- und Aussteigen verletzen. Die Schule unserer Tochter hatte eine eigene Hotline, über die man am frühen Morgen erfuhr, ob der Bus fuhr.

Wenn ein Schulbus stoppt und seine Warnlampe anstellt, müssen alle anderen Fahrzeuge halten, nicht nur jene hinter dem Bus, sondern auch der Gegenverkehr auf der anderen Straßenseite. Wehe wenn nicht. Am Anfang unserer Amerikaerfahrung fuhr meine Frau nichts Böses ahnend auf der Gegenfahrbahn weiter und bekam eine Strafe von fast 600 Dollar aufgebrummt.

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