Ohne das heroische und verlustreiche Einschreiten der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg würde es ein freies, wiedervereinigtes Deutschland nicht geben – und nicht nur das. Was wären wir ohne die USA?
In deutschen Medien, an Stammtischen und auch an den Raucherecken deutscher Universitäten wird immer wieder über “die Amis” geschimpft. Wenn einzelne amerikanische Soldaten Grausamkeiten begehen, US-Politiker dreist auftreten oder amerikanische Firmen durch überlegene Technologien erfolgreich sind, wird über “die Amis” gewettert, unter deren Stiefel wir darben, unter deren Kultur unsere Kultur verschwindet, was besonders schlimm sei, weil diese “blöden Amis” ja im Gegensatz zum Kulturvolk der Deutschen gar keine Kultur haben, das weiß ja jeder. Das kann man auf einem Apple-Computer bei Google nachlesen. Prost.
Wer so redet und denkt, sollte versuchen, sich das Gemetzel des 6. Juni 1944 vor Augen zu führen. An diesem Junitag vor 70 Jahren setzten die Westalliierten mit der “Operation Overlord” rund 160.000 Mann über den Ärmelkanal, um die Welt und Deutschland von seinem in großen Teilen der Bevölkerung heiß geliebten Diktator zu befreien. Mit der Eröffnung einer zweiten Front im Westen sollte den erbittert kämpfenden Sowjets im Osten Linderung gebracht werden.
Wie die Landung der Truppen an den Stränden der Normandie ausgesehen haben könnte, kann man in Steven Spielbergs Meisterwerk “Soldat James Ryan” (1998) sehen. Der Film zeigt die in Teilen wahre Geschichte eines jungen amerikanischen Soldaten, der in einen Krieg gezogen wurde, mit dem er in seinem kleinen Leben auf der kleinen Farm seiner Familie in den USA eigentlich gar nichts zu tun hatte.
Fast jeder Zehnte starb schon kurz nach der Landung
Spielberg konzentriert sich in der 15-minütigen epischen Anfangssequenz auf die besonders brutale Landung am Abschnitt Omaha Beach. Dort ist zu sehen, was an diesem 6. Juni geschah. Nachdem sich die Klappen der Landungsboote geöffnet hatten, wurden die anrennenden rund 45.000 Infanteristen von einem Maschinengewehrkugelhagel und Granatenteppich eingedeckt, der fast jeden zehnten Soldaten tot zurückließ. Die Häuserkämpfe im Hinterland waren ähnlich erbittert. Die Bunker des “Atlantikwalls”, in denen sich die deutschen Soldaten verschanzt hatten, sind noch heute an den Stränden der Normandie zu sehen.
Landung der Alliierten in der Normandie
Gedenktag
Am D-Day-Jubiläum trifft Merkel auf Putin
Es war ein Glück, dass der “Größte Feldherr aller Zeiten” (“Gröfaz”) Adolf Hitler – so hatte ihn sein Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel geadelt – eine Invasion etwa einen Monat später und nicht in der Normandie, sondern bei Calais erwartet hatte. So waren die deutschen Befestigungen und Truppen an den Stränden der Normandie zu unzureichend, um den alliierten Ansturm zu stoppen.
Die alten SS-Kämpen, viele mit Erfahrungen von der Ostfront und im Vernichtungskrieg, töteten jedoch erbittert, nutzten ihre überlegene, erhöhte Positionierung am Atlantikstrand eiskalt aus. Die “Operation Overlord” der Westalliierten endete am 30. August 1944 mit dem Rückzug deutscher Truppen über die Seine. Am Ende des Sommers der Invasion waren rund 88.000 tote Briten, Kanadier und Polen und fast 125.000 tote Amerikaner zu beklagen. Dem standen 240.000 gefallene deutsche Soldaten in Frankreich gegenüber.
Die Deutschen säten den Wind des Verderbens
Warum also sollten wir dankbar sein? Schon im Alten Testament beim Propheten Hosea steht: “Wer den Wind sät, wird Sturm ernten.” Die Deutschen hatten den Tod über andere Völker gebracht, einen Wind des Verderbens gesät. Als Strafe bekamen die Deutschen jedoch keinen Sturm zurück, sondern eher ein Lüftchen.
Wir können dankbar sein, dass die Alliierten nicht Gleiches mit Gleichem vergolten, sondern meist mit dem Schlachten aufhörten, sobald Truppenverbände kapituliert hatten. Das zeigen auch die deutschen Opferzahlen am Abschnitt Omaha Beach. Von den 7800 deutschen Infanteristen kamen 1200 um.
Im Nachhinein sollten wir uns in Demut beugen, dass die opferreiche Invasion der Westalliierten gelang, bevor die amerikanischen Atombomben im Forschungszentrum Los Alamos in New Mexico fertiggestellt worden waren. Sonst wären diese Bomben vielleicht nicht nur auf Hiroshima und Nagasaki, sondern auch auf Hamburg und Frankfurt geworfen worden, um Opfer in den eigenen Reihen zu verhindern.
Nicht ganz vergessen sollten wir auch, dass es den Amerikanern gelang, die Kernspaltung zu bändigen und nicht den Wissenschaftlern des Deutschen Reichs. Hätten Hitlers umtriebige, hochgebildete Ingenieure, Mathematiker und Physiker dieses Ziel vor den Alliierten erreicht, wäre das wohl das Ende der freien Welt gewesen: Gegen Atombomben auf New York, London und Moskau hätte es keine wirksame Verteidigung gegeben. Zum Glück sah der “Gröfaz” die Nukleartechnologie als eher unwichtig an und konzentrierte die materiellen und wissenschaftlichen Ressourcen des Deutschen Reiches lieber auf die Entwicklung von Panzern, Raketen und Düsenjets.
Marshallplan statt Bestrafung
Anhänger der Demokratie sollten dann auch dankbar sein, dass es den Westalliierten gelang, gemeinsam mit den Sowjets Berlin zu erreichen. Sonst wären ein demokratisches Westdeutschland und ein freies Gesamtdeutschland ab 1990 wohl undenkbar gewesen.
Wir sollten am 6. Juni ebenfalls der Tatsache gedenken, dass die Invasion der Westalliierten zwar viel zu spät kam, um das Morden der Deutschen schon im Anfang zu ersticken, aber auch in dieser Spätphase des Krieges nicht selbstverständlich war. Hitler hätte sich am liebsten mit den Briten, die er in seiner rassistischen Ideologie als arisches Brudervolk sah, arrangiert.
Dem Zigarren rauchenden Lebemann Winston Churchill ist es zu verdanken, dass er die vom Ersten Weltkrieg ermüdeten Amerikaner mit ins Boot holte und sie dazu brachte, ihre jungen Männer für einen weit entfernten Krieg zu opfern. In einem fast als liebevoll zu bezeichnenden Briefwechsel mit dem US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt war es dem späteren Nobelpreisträger für Literatur Churchill gelungen, die seit dem Ersten Weltkrieg isolatorisch agierenden Amerikaner in den Krieg zu ziehen.
Und nach 1945 stand dann nicht etwa eine Bestrafung an, die aufgrund der deutschen Kriegsgräuel nicht verwunderlich gewesen wäre, sondern im Westen mit dem Marshallplan eine riesige Belohnung. Auch der Osten Deutschlands kam trotz Demontagen von Fabriken schnell wieder auf die Beine. Im Vergleich mit Staaten innerhalb des sowjetischen Einflussgebietes war der Lebensstandard in der DDR sehr hoch angesiedelt.
Kulturlos sind die Amerikaner nun wirklich nicht
Was das außenpolitische Agieren der USA nach dem Zweiten Weltkrieg betrifft, scheiden sich die Geister. Es gab unglückliche Allianzen mit Islamisten in Afghanistan, misslungene Invasionen und Kriegslügen. Aber ob etwa der Irak heute unter einem psychopathischen Saddam Hussein und seinen noch kränkeren Söhnen in den Startlöchern besser dastünde, ist zu bezweifeln.
Ob die Befreiung des Irak von seinem Diktator wirklich ein Fehler war, wie viele Beobachter heute zweifelsfrei festlegen, kann man vielleicht erst in einigen Jahrzehnten sinnvoll bewerten.
Bleibt noch die vermeintliche Kulturlosigkeit dieser angeblich so ungebildeten Amerikaner. Diejenigen, welche die Überheblichkeit besitzen, diese Behauptung von sich zu geben, werden sich durch den Verweis auf die wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen der Amerikaner wohl kaum überzeugen lassen. Vielleicht hilft eine kleine Gedächtnisstütze: Wer sechs Millionen Juden umgebracht hat, der müsste wissen, was wahre Kulturlosigkeit ist.
Leave a Reply
You must be logged in to post a comment.