ISIS Advance: ‘America Will Attack ISIS with Drones’

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Isis-Vormarsch„Amerika wird Isis mit Drohnen angreifen“

Obamas Unentschlossenheit hat den Vormarsch der Islamisten befördert, meint der Islamwissenschaftler Guido Steinberg. In nicht allzu ferner Zeit werde Amerika eingreifen.

17.06.2014, von Stefan Tomik

Die Vereinigten Staaten haben 275 Spezialkräfte in den Irak entsendet. Was können die dort ausrichten?

Laut offiziellen Angaben geht es darum, amerikanische Bürger und Einrichtungen zu schützen. Die Zahl der Soldaten ist so gering, dass man davon ausgehen kann, dass tatsächlich nicht mehr beabsichtigt ist.

Dahinter steckt nicht die Vorhut einer größer angelegten Offensive, über die zurzeit noch geschwiegen wird?

Ich denke, dass eine solche Entscheidung noch nicht gefallen ist. Die amerikanische Regierung hat immer wieder darauf gedrungen, dass der irakische Ministerpräsident Maliki seine Politik ändert. Das wird noch längere Verhandlungen erfordern. Ohne diese Änderung sind auch militärische Maßnahmen weitgehend nutzlos. Das weiß Obama.

Wie lange können sich die Vereinigten Staaten militärisch aus dem Konflikt noch heraushalten?

Ich gehe davon aus, dass die Amerikaner über kurz oder lang in Syrien, im Irak oder sogar in beiden Ländern eingreifen werden. Sie haben in den vergangenen Jahren immer wieder klar gemacht, dass sie Terroristen direkt bekämpfen würden, wenn sie Amerika bedroht sehen. Auch das Mittel dafür ist klar: Obamas Regierung hat eine Präferenz für die CIA und den Drohnenkrieg. Ich gehe davon aus, dass in nicht mehr allzu ferner Zeit, aber vielleicht noch nicht dieses Jahr, die Amerikaner Isis aus der Luft bekämpfen werden.

Die Vereinten Nationen warnen vor einem Flächenbrand im Nahen Osten – ist das wahrscheinlich?

Ich sehe keine Gefahr einer zwischenstaatlichen Auseinandersetzung. Die meisten Staaten haben gravierende interne Probleme. Neben Irak und Syrien trifft das besonders auf deren Nachbarstaaten Libanon und Jordanien, aber auch auf Iran zu. Ich sehe eher die Gefahr einer schleichenden Destabilisierung in weiten Teilen des Iraks und Syriens und ein Ausgreifen auf Teile der Nachbarländer. Isis wird es auch nicht gelingen, einen islamistischen Staat zu etablieren. Dazu ist die Gruppe zu schwach, und die Gegenkräfte sind zu stark. Aber anhaltende Instabilität in der gesamten Region könnte die Folge sein.

Haben die Amerikaner den Irak zu früh verlassen, und tragen sie deshalb eine Mitschuld an der Misere?

Der wichtigste Fehler der Amerikaner war, dass sie überhaupt in den Irak einmarschiert sind. Alles, was Obama später versucht hat, konnte nur Schadensbegrenzung sein. Militärisch gesehen sind die amerikanischen Truppen zu früh abgezogen. Aber es stellt sich die Frage, wie sie denn hätten bleiben sollen. Es gab kein Truppenstatut, weil die Regierung Maliki sich geweigert hat, den Amerikanern, die einige Einheiten im Irak belassen wollten, das zu genehmigen. Auch das fällt in die Verantwortung der Regierung Maliki, und man kann es nicht Obama anlasten.

Die Iraner machen dem Westen Avancen und schlagen eine „Zusammenarbeit“ vor – wie könnte die konkret aussehen?

Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt. Die Iraner sind an der gegenwärtigen Misere mitschuldig. Sowohl Maliki als auch der syrische Machthaber Assad sind Verbündete Teherans. Beide handeln in Übereinstimmung mit iranischen Zielen. Wenn sich die Iraner jetzt als Teil der Lösung anbieten, ist das vollkommen falsch. Sie haben es geduldet, dass ihr Verbündeter Assad weit über hunderttausend Menschen abgeschlachtet hat. Das war ein wichtiger Grund für das Erstarken von Isis. Jetzt mit Teheran zusammen zu arbeiten, würde die Ursachen des Problems eher noch verstärken.

Aber was Isis betrifft, decken sich doch die Interessen des Westens und der Iraner, die Rebellen zurückzuschlagen und Stabilität wiederherzustellen.

Nur bei oberflächlicher Betrachtung. Die Furcht vor ISIS darf uns nicht dazu verleiten, einfache Antworten auf schwierige politische Fragen zu geben, wie es uns die Iraner und auch das Assad-Regime seit bald drei Jahren Jahren schmackhaft machen wollen. Ich bleibe dabei: Eine kurzfristige Kooperation würde das Problem langfristig verschärfen. Man darf mit den Iranern reden, aber die Lösungen für die Konflikte im Irak und in Syrien erfordern sehr viel mehr Aufwand als nur die militärische Bekämpfung von Isis.

Zeigt sich jetzt, dass es ein Fehler war, sich in Syrien auf die Seite des Aufstands gegen Assad zu stellen und damit die Stabilität des Staates zu untergraben?

Der große Fehler lag eher darin, gar keine Entscheidung zu treffen. Die Amerikaner haben sich ja nur rhetorisch auf die Seite der Aufständischen gestellt.

Sie haben auch Waffen geliefert.

Ja, aber Waffen in einem Umfang und von einer Qualität, dass das Kräftegleichgewicht vor Ort nicht beeinflusst wurde. Schon 2011 war klar, dass das Assad-Regime sich wird halten können. Und schon damals hätte es eine klare strategische Entscheidung geben müssen, aber die blieb aus. Mein Eindruck ist, dass die Amerikaner nicht mehr wissen, was denn eigentlich ihr Ziel ist. Sie können sich auch jetzt noch nicht entscheiden, was ihnen wichtiger ist: Die Bekämpfung von Isis oder der Sturz Assads. Ich halte beides für nötig, wenn sich die Situation verbessern soll.

In Spanien hat die Polizei jetzt eine Isis-Zelle zerschlagen. Und in Berlin wurde ein französischer Syrien-Kämpfer abgefangen, als er nach Deutschland einreisen wollte. Wie groß ist die Gefahr, dass Isis den Terror nach Europa trägt?

Sehr groß. Isis hat derzeit mindestens einige hundert Mitglieder, die aus Europa stammen. Die ersten sind bereits aus den Kampfgebieten zurückgekehrt. Bei allen von ihnen muss man davon ausgehen, dass sie höchst radikalisiert sind.

Die Fragen stellte Stefan Tomik.

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