Are We Still Friends?

Published in Die Zeit
(Germany) on 15 July 2014
by Theo Sommer (link to originallink to original)
Translated from by Ron Argentati. Edited by Laurence Bouvard.
In a recent Die Zeit article, Heinrich Welfing opined that Germany and the USA had shared values — at least in principle. What, just in principle? Not in practice?

With his restrictive approach, Welfing began to approach the question that should have been asked long ago — at least since the National Security Agency scandal and the latest revelations out of Washington concerning their mania for spying. Namely, do Germany and the United States still even have shared values, or after all the decades of “friendship flapdoodle,” as Hans-Ulrich Jörges called it in Der Stern magazine, did that dry up and blow away a long time ago?

There's a good follow-up question that deserves a flapdoodle-free answer: Where, when and to what extent do German and American interests still overlap?

As far as shared values go, they existed principally during the 40 years of the Cold War, and mainly as the alternative to brutal communist dictatorships. This juxtaposition supplied the Western nations with an excuse to overlook their own shortcomings and differences. But when the east-west conflict ended, those came into the spotlight on center stage again, impossible to ignore.

The differences went beyond contradictory opinions on capital punishment and the constipated U.S. justice system that incarcerates 2.3 million people, 700 per every 1,000 Americans, the highest rate in the world. It's also not about the various socio-economic philosophies that have resulted in unfettered American capitalism plunging the world into two financial and economic crises within ten years.

The major role was probably played by Washington's use of military force to try to make the world a better place, particularly under George W. Bush. His superpower stumbling about in the Levant threw the entire Middle East into chaos. In Iraq and Afghanistan the United States lost, first and foremost, its moral superiority. Guantanamo, waterboarding and the extra-judicial treatment of suspects — including occasional torture — and turning them over to really unsavory nations for the same reason are among the things that prevent President Obama from repairing the damage to America's reputation even to the present day.

On the contrary, Obama is allowing his 16 or 17 intelligence services to continue with their spy-mania. He of all people, a constitutional lawyer, no less, is undisturbed as he watches the NSA's dragnet insanity pry away the rights of 300 million American citizens. That's his business. But it's our business that the allies, most significantly Germany, still allow the U.S. to monitor our telecommunications and spy on us against all rules of diplomatic decency and behavior between friends, a whole year after Edward Snowden exposed the extent of uncontrolled American espionage. Senator James Fulbright castigated that same arrogance of power in the 1960s, while Barack Obama sheds his friends' outrage like water off a duck's back.

Small wonder that German open-mindedness toward America is out the door; Germany's big brother now looks literally like “Big Brother.” Trust has been destroyed. Can it ever be brought back?

That all depends on to what extent German and American interests can be aligned. If this can be accomplished to everyone's satisfaction — and that may depend on foreign minister Steinmeier's investigation findings — then the damaged community of values could be restored be that as it may. When one needs friends, even bad friends are better than none at all.

But it would certainly help if America would dial back its arrogance; if it would abandon its illusion of omnipotence as well as its innocence; and if it would pause and reflect that it need us in many respects as well. We should consider reviewing all the historical privileges Americans enjoy on German soil to see if they match up with agreements on the status of forces and NATO agreements. We have a bit of blackmail potential in that area, too.

Incidentally, maybe it's time to revise Palmerston's much-quoted dictum that “Nations have no permanent friends or allies, they only have permanent interests.” Perhaps it's time to say the reverse is true: Nations have permanent friends and allies but sometimes divergent interests.


Sind das noch unsere Freunde?
Die USA und Deutschland teilen gemeinsame Werte – NSA-Affäre und Spionagefälle lassen daran zweifeln. Vielleicht sollten wir auch über unsere Interessen neu nachdenken. VON THEO SOMMER
15. Juli 2014

Die Vereinigten Staaten und Deutschland hätten "ähnliche Interessen und Werte", schreibt Heinrich Wefing in der letzten Ausgabe der ZEIT – " im Prinzip jedenfalls". Also im Prinzip nur, nicht jedoch in der Praxis?

Mit seinem einschränkenden Zusatz näherte sich Wefing der Frage, die längst hätte gestellt werden können, nach dem NSA-Skandal und den jüngsten Enthüllungen über Washingtons Bespitzelungswahn aber endlich gestellt werden muss: Haben wir eigentlich noch eine Wertegemeinschaft zwischen Amerika und der Bundesrepublik – oder ist sie uns trotz allem in über Jahrzehnte eingeübtem "Freundschaftsgeschwurbel", so Hans-Ulrich Jörges im Stern, nicht längst abhandengekommen?

Und auch eine zweite Frage bedarf einer klaren Antwort ohne Geschwurbel: Wo, wann und wie weit decken sich eigentlich unsere Interessen noch?

Was die Wertegemeinschaft angeht, so lebte sie während der 40 Jahre des Kalten Krieges in erster Linie aus dem Gegensatz zur Brutalität der kommunistischen Diktatur. Dieser Gegensatz lieferte dem Westen einen wohlfeilen Grund, über die eigenen Fehler, Unzulänglichkeiten und Differenzen hinwegzusehen. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts traten sie jedoch im grellen Licht der wiedergewonnenen Normalität unübersehbar in Erscheinung.

Und es ging dabei nicht nur um die widersprüchliche Haltung zur Todesstrafe oder um die Hartleibigkeit der amerikanischen Rechtsprechung, die 2,3 Millionen Menschen ins Gefängnis sperrt, über 700 pro 100.000 Einwohner, die höchste Einkerkerungsrate der Welt. Auch ging es nicht einmal um unterschiedliche philosophische Prägungen in puncto soziale Marktwirtschaft (zweimal binnen eines Jahrzehnts stürzte der ungezähmte, ungebremste amerikanische Kapitalismus die Welt in eine Finanz- und Wirtschaftskrise).

Eher schon spielte die Neigung Washingtons zur Anwendung militärischer Gewalt zwecks Weltverbesserung eine Rolle, zumal unter Präsident George W. Bush, dessen großmächtiges Herumgestolpere in der Levante den ganzen Mittleren Osten ins Chaos gestürzt hat. Im Irak und Afghanistan verlor Amerika obendrein seine moralische Überlegenheit. Guantánamo, Waterboarding, die außergesetzliche Überstellung von Verdächtigen zur gefälligen Folterung an die unappetitlichsten Regime – bis heute hat Präsident Barack Obama den dadurch entstandenen Rufschaden nicht wettmachen können.

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Im Gegenteil: Obama lässt es zu, dass der Schnüffelwahn seiner 16 oder 17 Geheimdienste Amerikas Ansehen weiter untergräbt. Dass ausgerechnet er, der Verfassungsrechtler, regungslos zusieht, wie die unersättliche Sammelwut der NSA die verfassungsmäßigen Rechte von 300 Millionen US-Bürgern aushebelt, ist seine Sache. Unsere Sache aber ist es, dass er die Alliierten – und allen voran die Bundesrepublik – noch ein Jahr, nachdem Edward Snowden die maß- und grenzenlose amerikanische Spioniererei ruchbar machte, weiterhin wider alle Regeln diplomatischen Anstands und freundschaftlichen Umgangs aushorchen, anzapfen und überwachen lässt. Mit derselben Arroganz der Macht, die der US-Senator James Fulbright in den 1960er Jahren geißelte, lässt Obama alle Empörung seines ausspionierten Verbündeten ungerührt an sich abtropfen.

Kein Wunder, dass die deutsche Unbefangenheit gegenüber Washington dahin ist – der große Bruder USA wird jetzt vor allem als Big Brother wahrgenommen. Das Vertrauen ist zerstört. Lässt es sich wiederherstellen?

Das kommt ganz darauf an, wie weit deutsche und amerikanische Interessen noch zur Deckung gebracht werden können. Ist dies in einem ausreichenden Maß der Fall (und das könnte in dem von Außenminister Steinmeier initiierten Überprüfungsprozess festgestellt werden), so ließe sich mit der lädierten Wertegemeinschaft leben; sei's drum. Schlechte Freunde sind besser als keine, wenn man Freunde braucht.

Doch wäre es gewiss hilfreich, wenn die Amerikaner ihre Überheblichkeit ablegten; wenn sie aufhörten, weiterhin der Illusion der Allmacht wie der Unschuld zu frönen; und wenn sie einsähen, dass sie uns in vielerlei Hinsicht brauchen – wir könnten ja auf die Idee kommen, einmal alle Vorrechte, die sie auf deutschem Boden genießen, daraufhin zu überprüfen, ob sie überhaupt durch die alten Stationierungsverträge oder durch den Nato-Vertrag gedeckt sind. Ein bisschen Erpressungspotenzial haben wir da auch.

Im Übrigen ist es vielleicht an der Zeit, den viel zitierten Satz Palmerstons, wonach Nationen weder permanente Freunde noch permanente Feinde haben, sondern nur permanente Interessen, von den Füßen auf den Kopf zu stellen. Vielleicht gilt derzeit das Umgekehrte: Nationen haben permanente Verbündete, aber auseinanderlaufende Interessen.
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