Lady in Red
Von Beate Wild
29.07.2014
Nach einem Tag in der Sonne hat unsere Autorin eine neue Hautfarbe. Damit verrät sie vor allem: Hier kommt eine Touristin. Und sie lernt dabei, dass Lichtschutzfaktor 30 in den USA ein schlechter Witz ist.
Ein wunderbar entspannter Nachmittag am Strand von San Diego: Im Sand liegen, Eis essen, Surfer beobachten, endlich mal Zeit zum Lesen. Die Entspannung endet früher als gedacht, nämlich am selben Abend: Die Haut ist feuerrot, die Schmerzen heftig und das Erstaunen groß. Ich hatte mir doch extra für die kalifornische Sonne eine Schutzcreme mit Faktor 30 besorgt. Während ich die Haut kühle, vergleiche ich den Breitengrad: San Diego liegt ungefähr auf der Höhe von Casablanca. Da hatte ich die Stärke der Sonneneinstrahlung wohl unterschätzt. Nächstes Mal werde ich häufiger nachcremen.
Ein paar Wochen später: “Gay Pride”, das traditionelle Schwulen- und Lesbenfest in San Francisco. Zwei Stunden stehe ich am Straßenrand und bejubele die schillernde Parade, die an mir vorüberzieht. Wenn ich nicht jubele, creme ich mich ein. Doch am Abend leuchte ich in Knallfarbe: wieder Sonnenbrand, zum Kuckuck! Und hatte ich mich verhört, oder hat mir der Typ tatsächlich “Lady in Red” nachgerufen?
Brennt die Sonne in Kalifornien so viel stärker vom Himmel als in Deutschland? San Francisco liegt – ich ziehe die nächste Fingerspur über den Globus – noch etwa auf dem Breitengrad von Athen. Aber selbst im Türkei-Urlaub war ich bisher mit Faktor 20 bestens ausgekommen. Mich beschleicht das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmt.
Als ich meiner Freundin Kimberly meinen Hummer-Teint vorführe, schüttelt sie entsetzt den Kopf. “Faktor 30? Viel zu wenig!”, ruft sie. Sie selbst benutze mindestens 50, meistens sogar 70. Lichtschutzfaktor 70? Hatte ich in Deutschland zuvor noch nie gesehen. Als ich im Drogeriemarkt nachfrage, mustert die Verkäuferin mich kritisch und rät dringend zu Faktor 100, “wenn Sie besonders empfindliche Haut haben”. Ich bin verwirrt. Hat mich der Länderwechsel empfindlich gemacht?
Verräterischer Touristen-Teint
Dann stoße ich im Internet auf die “Consumer Reports”, darunter eine Verbraucherstudie über Sonnenschutzcremes in den USA.
Die niederschmetternden Erkenntnisse der Untersuchung: Man sollte nie dem auf der Verpackung angegebenen Lichtschutzfaktor (“Sun Protection Factor”, kurz: SPF) vertrauen, dieser variiert von Hersteller zu Hersteller. Ist man bei der einen Marke mit SPF 50 gut geschützt, verbrennt beim Konkurrenzprodukt mit dem angeblich gleichen Schutz die Haut.
Aber was viel hanebüchener ist: Die wohl besten UV-Filter, die es auf dem Markt gibt, sind in den USA noch verboten. Mexoryl und Tinosorb blockieren UVA- und UVB-Strahlen besonders gut und sind stabiler als frühere Inhaltsstoffe. In europäischen Sonnencremes sind sie längst Standard. Doch in den USA sind sie von der Genehmigungsbehörde FDA (Food and Drug Administration), noch nicht zugelassen. Offenbar warten Sonnencreme-Hersteller seit Jahren darauf, dass die FDA endlich grünes Licht gibt.
Das alles hat zur Folge, dass Europäer in den USA zwar wie gewohnt cremen und sich trotzdem nicht nur über ihren verbrannten Teint wundern müssen. Sondern auch darüber, dass sie überall als Urlauber erkannt und belächelt werden – “Tourists in Red” sozusagen.
Gilt in Deutschland Lichtschutzfaktor 50 schon als Sunblocker, ist das in den USA gerade mal ein mittelmäßiger Schutz gegen die Sonne. Cremes mit SPF 15 oder 20 werden hier erst gar nicht verkauft. Und Kinder sollte man am besten mit Faktor 100 eincremen, sagt Kimberly.
Während ich die Haut von meiner Nase ziehe, überlege ich, mir einen Cowboy-Hut zuzulegen. So schützen sich seit ewigen Zeiten Rancher und andere harte Jungs vor der stechenden Sonne. Zwar besteht die berechtigte Sorge, dass der Hut an mir … nun, sagen wir, er würde mir wohl nicht stehen. Aber lieber kurioses Cowgirl als noch einmal Lady in Red.
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