Show Me Your Passport, Sweetheart

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Zeig mir deinen Ausweis, Kleines

Erst fühlte sich unsere Autorin geschmeichelt von der ständigen Aufforderung, ihre Volljährigkeit zu beweisen. Dann hielt sie es für übertrieben. Und für nervtötend, als der Türsteher darauf beharrt: Dieser deutsche Personalausweis ist eine Fälschung.

Beim ersten Mal dachte ich, es sei ein Kompliment. Der Türsteher vom “Churchill”, einer Bar im Ausgehviertel Castro, hatte mich nach meinem Ausweis gefragt. War das Geld für die teuren Gesichtscremes doch nicht herausgeworfen? Beim zweiten Mal, in einer anderen Bar, schob ich es auf das schummerige Licht am Eingang. Erst beim dritten Mal, wieder vor einem Türsteher, begriff ich: Hier wird jeder nach seinem Ausweis gefragt, egal ob Anfang 20 oder kurz vor dem Rentenalter. Eine Erkenntnis, die ernüchtert.

Alkohol zu trinken, wird in den USA erst mit dem 21. Lebensjahr legal. Der Gesetzgeber nimmt es damit genau, sehr genau. Regelmäßig wird in der Gastronomie scharf kontrolliert, ob ja kein Jüngerer Bier schluckt. In jeder Bar muss man deshalb dem Türsteher – oder sollte die Kneipe keinen beschäftigen, dem Barkeeper – seinen Ausweis zeigen. Vergisst man das Dokument zu Hause, so wie ich, sieht man an diesem Abend alt aus und trinkt nur Limo. Das Personal hinter dem Tresen ist unerbittlich: Da könnte ja jeder kommen und auf seine Krähenfüße um die Augen deuten. Was tun die Menschen nicht alles für Alkohol!

Nicht einmal in einer “Dive Bar” kommt man unkontrolliert an sein Bier, dabei ist sie das Äquivalent zu einer bayerischen Boazn, also einer schäbigen Eckkneipe. Von den Gorillas am Eingang könnte sogar die Münchner Schickimicki-Disco P1, bekannt für ihre (einst) strenge Türpolitik, noch einiges lernen. Etwa vom “Molotov’s”, einer Punkrock-Bar in Lower Haight. Deren Kundschaft trägt lange ungewaschene Haare und hat kaum eine untätowierte Stelle am Körper.

Der Türsteher thront auf einem Barhocker am Eingang. Aspirant um Aspirant muss sich zutiefst ergeben vor ihm aufstellen – sauber in einer Reihe. Gnädig nimmt der sitzende Türsteher den Ausweis entgegen, studiert das Foto, studiert das Gesicht, studiert das Geburtsdatum, studiert das Gesicht. Erst wenn er nickt, darf der Kunde eintreten. Der Abschiedsblick des Wächters warnt: “Ich lasse dich hier nur auf Bewährung rein, Freundchen!” A very warm welcome.

Auch in Restaurants wird auf das Alter geachtet, genauso im Supermarkt. Mit einem Sixpack Bier lässt der Kassierer niemanden einfach so passieren: Die Ausweise, bitte! Wo kämen wir sonst hin?

Selbstverständlich darf man sich auch in der Öffentlichkeit nicht mit einer Bierflasche blicken lassen, ganz egal, wie alt man ist. Ein Picknick mit Freunden am Strand? Entweder, man trinkt ein zuckerhaltiges Softgetränk, oder man verbirgt sein Bier in einer kleinen braunen Papiertüte. Dieses Versteckspiel heißt “brown bagging”. Die Prohibition – zwischen 1920 und 1933 war Hochprozentiges in den USA komplett verboten – wirkt offenbar bis heute nach.

Missetaten unter Alkoholeinfluss, etwa im Straßenverkehr, bringen einen schneller vor den Richter oder ins Gefängnis als man “Prost!” sagen kann. Halbwegs hochprozentigen Trinkvorrat sollte man besser nur im Kofferraum seines Wagens durch die Gegend fahren, bloß nicht vorne in der Fahrerkabine. Der Verdacht, der Fahrer könnte während der Fahrt zur Flasche greifen, reicht für einige Polizisten aus, um richtig Ärger zu machen.

Zu allem Überdruss weiß mancher amerikanische Türsteher mit dem deutschen Personalausweis nichts anzufangen, wie neulich in der “Southern Pacific Brewery” in San Francisco. So ein windiges Kärtchen muss doch eine Fälschung sein … kein Pass, kein Zutritt! Sein abfälliger Blick spricht Bände, nämlich: Wieder Touristen, die mich für völlig bescheuert halten und sich mit ihrem Ausweis-Fake nicht einmal Mühe gegeben haben!

Sollten den USA einmal die Grenzbeamten ausgehen, ich wüsste, wo sie Nachwuchs finden – vorausgesetzt, sie zeigen beim Abwerben den passenden Behördenausweis vor.

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