Obama Is Doing Nothing for Black People

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Obama tut nichts für die Schwarzen

Die Polizei in Ferguson zieht in den Kampf gegen unbewaffnete Bürger. In den vergangenen Tagen ist die Kleinstadt zu einer Kampfzone geworden. Das sagt viel über Amerika.

Vor acht Tagen ist der Amerikaner Michael Brown von einem Polizisten erschossen worden. Er starb am hellichten Tag und auf offener Straße, mitten unter Leuten, die Einkäufe machten. Michael Brown hatte in diesen Tagen mit dem College-Studium beginnen wollen.

In der Woche seit seinem Tod ist viel geschehen in Ferguson, einer Stadt mit 21.000 Einwohnern im Bundesstaat Missouri. Man hat manches über Michael Brown erfahren und auch etwas, fast nichts allerdings, über Darren Wilson, den Polizisten, der ihn getötet hat. Alle Informationen haben nichts geändert am Bild der Todesumstände, die Präsident Obama tragisch genannt hat. Michael Browns Tod war das Resultat eines extremen Ungleichgewichts der Macht.

Polizeibeamte mit Panzerwesten und Maschinengewehren

Zwei Männer, der eine achtzehn Jahre alt, der andere achtundzwanzig. Der eine trug T-Shirt und kurze Hosen, der andere Uniform. Der eine war unbewaffnet, der andere mit Dienstwaffe gerüstet. Der eine hatte gerade den Schulabschluss geschafft. Der andere ist seit sechs Jahren Polizeibeamter, wurde im Umgang mit der Waffe und mit brenzligen Situationen ausgebildet und erhielt eine Auszeichnung für außerordentliche Pflichterfüllung. Der eine war zu Fuß unterwegs, der andere saß am Steuer eines Streifenwagens. Der eine ein Schwarzer. Der andere ein Weißer.

Brown hatte die Hände erhoben, als ihn die tödlichen Kugeln trafen. Das hat der Freund erzählt, der zusammen mit ihm angehalten wurde, weil sie nicht auf dem Bürgersteig gingen. Der Augenzeugenbericht von den emporgerissenen Händen bekam sogleich ikonische Funktion, wirkte aufrüttelnd wie eine klassische Kriegsfotografie: In der Geste des Sterbenden zieht sich die ganze Ungerechtigkeit seines Schicksals zusammen.

Michael Browns Freunde und Nachbarn haben ihm in den Tagen nach seinem Tod die letzte Ehre erwiesen, indem sie seine Haltung annahmen. Sie gingen auf die Straße und schritten mit erhobenen Händen auf die Polizisten dort zu, um ihnen zu sagen: Erschießt mich doch auch! Die allabendlichen Demonstrationen in Ferguson zielten darauf, die tödliche Konfrontation zwischen dem Polizisten und Michael Brown im lebenden Bild zu reproduzieren. Man wollte die Ordnungskräfte dazu verleiten, ihre Übermacht zur Schau zu stellen. Niemand hat aber wohl damit gerechnet, mit welchem Feuereifer die Polizei mitspielte. Wieder sahen unbewaffnete Bürger von Ferguson Polizeiwaffen auf sich gerichtet, aber diesmal waren es Maschinengewehre. Mit Panzerwagen rückten die Beamten an, mit Panzerwesten und Gasmasken hatten sie sich gewappnet. Die Plünderungen in der Nacht von Sonntag auf Montag machten robuste Vorsorge nötig. Aber die martialische Anmutung der Polizeikräfte rief im ganzen Land Entsetzen hervor.

Zusätzliche Ausreden für die Vertuschung von Fehlern

Wenn jetzt indes Bundespolitiker wie Justizminister Holder und Senatorin McCaskill die Militarisierung der Polizeiarbeit beklagen, sehen sie darüber hinweg, dass die Ausrüstung lokaler Polizeibehörden mit Kriegsgerät ein offizielles Ziel der nationalen Sicherheitspolitik ist. Nach den Massenmorden vom 11. September 2001 wurde die Losung ausgegeben, dass jede Polizeidienststelle sich auf das Schlimmste vorbereiten müsse. Die Streitkräfte geben ausgemusterte Waffen und Fahrzeuge, auch Panzer, an die Gemeinden weiter und erfreuen mit diesen Spenden, die Platz in den Depots schaffen, die Waffenlobbyisten. Wie die Vereinigten Staaten ihre Kriege als Strafaktionen der Weltpolizei ausgeben, wird an der Heimatfront umgekehrt die Ortspolizei als Hilfstruppe für den Krieg gegen den Terror herangezogen. Für die Vertuschung von Fehlern der Polizei gibt es seitdem zusätzliche Ausreden. Mit den Waffensystemen wird das paranoide Denksystem des militärisch-geheimindustriellen Komplexes geliefert.

Tom Jackson, der Kommandeur der 53 Polizisten von Ferguson (fünfzig Weiße, drei Schwarze), hat den Zorn der Bevölkerung auch mit seiner Informationspolitik genährt. Eine Woche lang weigerte er sich, die Identität des Todesschützen zu offenbaren, während die mutmaßlichen Plünderer ihre Namen und Adressen in der Zeitung lesen durften. Gestern nannte er nun den Namen von Darren Wilson. Gleichzeitig ließ er eine Ermittlungsakte verteilen, aus der hervorgeht, dass Brown verdächtigt wird, am Tag seines Todes einen Raub in einem Zigarettengeschäft begangen zu haben. Erst Stunden später stellte der Polizeichef klar, dass Wilson von diesem Verdacht nichts wusste und Brown also doch nur deshalb anhielt, weil er mitten auf der Fahrbahn ging.

Die Hundertfünfzigjahrfeiern des Amerikanischen Bürgerkriegs dauern an – und haben zu einem zweiten, endgültigen Sieg des Nordens geführt. Der Süden wird nicht mehr als ritterlicher Verlierer dargestellt, weil der Rassismus als das absolut Böse gilt. Dass die Polizei einer zu zwei Dritteln von Schwarzen bewohnten Stadt eine Trauergemeinde als Bürgerkriegspartei behandelt, bewirkt ein grausames Erwachen. Der erste Schwarze im Amt des Präsidenten hat für die Schwarzen nach seiner Wahl nichts mehr getan. Es wirkt wie Hohn, dass er immer noch als der mächtigste Mann der Welt bezeichnet wird.

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