War Feeds Itself

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Krieg ernährt den Krieg

USA Seit 1991 haben vier Präsidenten im Irak kämpfen lassen. Das Ergebnis dieser Strategie war stets nur Chaos

Krieg ernährt den Krieg

Bush Sr., Obama, Bush Jr. und Clinton

Foto: Saul Loeb / AFP/ Getty Images

Es schwingt Ambivalenz mit bei den Begründungen der US-Militärschläge im Irak. Doch unter dem Strich hat Präsident Barack Obama klar Partei ergriffen im Bürgerkrieg, wohl in der Hoffnung, die neue Regierung in Bagdad werde den sektiererischen Schaden reparieren, den der langjährige Premier Nuri al-Maliki angerichtet hat.

Vor gut 23 Jahren bombardierten US-Jets erstmals den Irak bei der multinationalen Operation Wüstensturm, um die Armee des Diktators Saddam Hussein aus Kuwait zu vertreiben. Hunderttausende Tote hat es gegeben – vier Präsidenten, von Bush senior und Bush junior bis Bill Clinton und Barack Obama, haben kämpfen lassen im Irak: Um ethnische Minderheiten vor Saddam zu schützen, wie es hieß, um Massenvernichtungswaffen zu zerstören und den Diktator zu stürzen und um repressive Nachfolger an der Macht zu halten.

Und jetzt? Im Irak sind reihenweise Städte gefallen unter dem Ansturm der offenbar nur ein paar Tausend Mann starken Milizen des „barbarischen Verbands“ (Obama) Islamischer Staat (IS). Das Weiße Haus versichert, es gebe keine „amerikanische militärische Lösung“, doch man hat erneut zugeschlagen. Die jüngsten US-Militäraktionen – zum Teil vom Flugzeugträger George H. W. Bush gestartet – begannen Anfang August, als die Welt in erschreckenden Bildern Angehörige der Jesiden-Religion auf der Flucht vor IS-Einheiten leiden und sterben sah. Die gezielten Luftangriffe hätten zwei Ziele, sagt Obama: Einen „möglichen Akt des Völkermords verhindern“ und US-Bürger in der Kurden-Metropole Erbil im Norden schützen. IS-Vortrupps sind angeblich bis auf wenige Kilometer zu dem wegen der starken kurdischen Peschmerga-Einheiten lange als sicher geltenden Erbil vorgedrungen. Dort halten sich Hunderte US- Diplomaten auf, dazu Beschäftigte von Erdölkonzernen und US-Militärs. Unter den zu schützenden Uniformierten sind wohl manche der 300 Berater, die Obama im Juni, als die Millionenstadt Mossul an die IS-Verbände fiel, in Marsch gesetzt hat. Schon damals wurde gemutmaßt, man erwäge Luftangriffe. Aus Mossul wurde von IS-Gräueltaten berichtet.

Doch in der US-Öffentlichkeit schien man keine große Lust auf eine Fortsetzung ungeliebter Kriege zu haben. Vor einem Jahr war dieses Unbehagen mitverantwortlich dafür, dass der angekündigte Angriff auf Syrien unterblieb. Regierungsvertreter betonten bei einer Kongressanhörung Ende Juli, IS sei „schlimmer als Al-Qaida und eine richtige Armee“ (State-Department-Mitarbeiter Brett McGurk). Es wurde Justizminister Eric Holder zitiert: Die Befürchtung, IS-Kämpfer könnten die USA infiltrieren, sei „erschreckender als alles andere“, was er in seiner Amtszeit erlebt habe.

Doch beschwichtigte Obama, er werde es „nicht erlauben, dass die Vereinigten Staaten in einen weiteren Krieg im Irak hineingezogen werden“. Die Bellizisten, besonders die im republikanischen Lager, wollen mehr. Der Abzug der US-Einheiten aus dem Irak im Jahr 2011 habe den Raum frei gemacht für die Islamisten, heißt es. Und „Islamic State“ habe sich ausbreiten können von Syrien in den Irak, weil Obama den moderaten bewaffneten Gruppen gegen Präsident Baschar al-Assad nicht geholfen habe. Diese Auffassung vertrat auch Obamas einstige Außenministerin Hillary Clinton im Magazin The Atlantic.

Nie richtig gewonnen

„Mit Widersprüchen leben“, könnte man das Denken dieser politischen Strömung betiteln. Die bestehen unter anderem darin, dass IS ihre Ursprünge im extremistischen Zweig des sunnitischen Islam hat, der von den guten Freunden der USA in Saudi-Arabien gegen den ungeliebten Machthaber in Syrien unterstützt wird. Oder dass sich Assads Interessen nun teilweise mit denen der US-Politik decken, die dem „Islamic State“ den Garaus machen möchte. Schließlich: Der von den Bellizisten geforderte Angriff auf Syrien vor einem Jahr hätte IS gestärkt.

Seit einem halben Jahrhundert führen die USA fast immer irgendwo Krieg. So richtig gewonnen haben die „besten Streitkräfte der Welt“ (Obama) nie, von den Invasionen auf der Karibikinsel Grenada 1983 und in Panama 1989 einmal abgesehen. Doch darf man bei „gewinnen“ nicht an Konfettiparaden denken. In Nahost hätten die USA ihr „wichtigstes strategisches Ziel“ seit dem Zweiten Weltkrieg immerhin erreicht, schreibt das Magazin Foreign Policy, einen weitgehend ungehinderten Zugang zum dort vorhandenen Erdöl. Von dem in den 70er Jahren gefürchteten Kartell der Organisation Erdölexportierender Länder (OPEC) hat man lange nichts mehr gehört.

Vielleicht erfüllt das Chaos, das die „Sicherheitspolitik“ vieler US-Regierungen hinterlässt, doch einen Zweck, ob beabsichtigt oder nicht. Der Krieg ernährt sich vom Krieg, sagte der Feldherr Wallenstein in einem anderen Krieg, der nicht enden wollte, dem Dreißigjährigen im 17. Jahrhundert. Natürlich kein felsenharter Vergleich, aber trotzdem.

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