Japanisierung von Deutschland
Dollar-Rally als Ankündigung einer USZinswende
Michael Rasch 1.9.2014, 00:00 Uhr
Historische Erfahrungen zeigen, dass der Dollar-Index 6 bis 9 Monate vor einer USZinswende deutlich erstarkt. Zwar wird eine Zinserhöhung derzeit erst Mitte 2015 erwartet, doch der Dollar hat jüngst bereits klar zugelegt.
Die Talfahrt des Euro gegenüber dem Dollar hat sich in der letzten Woche nochmals verstärkt. Seit dem Jahreshoch von beinahe exakt $ 1.40 vom 8. Mai ist die europäische Gemeinschaftswährung um 5,7% auf rund $ 1.32 gesunken. Der Abwärtsschub in der vergangenen Woche wurde durch die Rede von Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), beim Stelldichein internationaler Notenbanker im amerikanischen Ferienort Jackson Hole ausgelöst. Marktbeobachter interpretierten die Aussagen des Italieners in Diensten der EZB als eine Verschiebung des Fokus der Notenbank in Richtung einer intensiveren Ausrichtung auf den Arbeitsmarkt und eine mögliche Vorbereitung eines europäischen Quantitative Easing.
Kurzzeitige Gegenbewegung?
Aus einer rein technischen Warte ist der Euro inzwischen allerdings stark überverkauft, wie etwa der Relative-Stärke-Index (RSI) zeigt (vgl. Grafik 2). Ferner erreichte die Währung das untere Ende eines nun seit Mai gültigen Trendkanals. Daher ist zumindest kurzzeitig mit einer Gegenbewegung zu rechnen. Für eine bevorstehende Erholung des Euro spricht auch die Positionierung von Marktteilnehmern am Terminmarkt. Während die Spekulation von «trendfollowers» auf einen fallenden Euro schon sehr hoch ist, sind kommerzielle Marktteilnehmer inzwischen so stark für einen steigenden Euro positioniert, wie es oft an Tiefpunkten des Euro vorkommt.
Aus einem umgekehrten Blickwinkel ist die Schwäche des Euro eine Stärke des Dollars. Dieser hat im Handel mit der Gemeinschaftswährung nun seit drei Monaten zugenommen. Trotz dem aus Sicht des «Greenback», wie der Dollar im Fachjargon auch genannt wird, stark überkauften Zustand erwarten viele Beobachter mittelfristig eine anhaltende Erstarkung des Dollars.
Zinserhöhung im Juni 2015?
Interessant ist mit Blick auf eine mögliche langsame Trendwende in der amerikanischen Geldpolitik das Verhalten des Dollars im Vorfeld eines solchen Richtungswechsels. Wie die historischen Beispiele zeigen (vgl. Grafik 1), antizipieren die Marktteilnehmer einen Wechsel in der Geldpolitik. In der Vergangenheit haben sie bei einem bevorstehenden Zinserhöhungszyklus rund 6 bis 9 Monate zuvor damit begonnen, Dollars zu kaufen. Dies zeigt ein Vergleich des Dollar-Indexes mit den amerikanischen Leitzinsen.
Der Greenback war jeweils im Vorfeld des im Februar 1994, Juni 1999 und Juni 2004 einsetzenden Zinserhöhungszyklus deutlich um jeweils rund 7% geklettert. Nach dem ersten Zinsschritt wurde die Entwicklung dann diffuser. Der Dollar-Index misst die amerikanische Währung gegenüber einem Korb von sechs Währungen von wichtigen Handelspartnern. Den stärksten Einfluss hat dabei der Euro, der mit knapp 60% gewichtet ist. Insofern spielt die Abschwächung der europäischen Gemeinschaftswährung gegenüber dem Dollar auch eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Dollar-Indexes.
Gerechnet ab Mai müsste ein Zinserhöhungszyklus der amerikanischen Notenbank zwischen November und Februar beginnen, damit sich der Dollar erneut im Vorfeld über einen Zeitraum von 6 bis 9 Monate deutlich gefestigt hätte. Wie Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg zeigen, rechnen Händler von Termin-Kontrakten derzeit mit einer Wahrscheinlichkeit von 56% damit, dass die amerikanische Notenbank bis Juli 2015 mit dem Zinserhöhungszyklus beginnen wird.
Zudem zeigen die Protokolle der Federal Reserve (Fed), dass im Offenmarktausschuss über die Möglichkeit einer früher als erwartet vorgenommenen Zinserhöhung diskutiert wird, sofern sich der amerikanische Arbeitsmarkt schneller verbessert als erwartet.
Einen wichtigen Einfluss auf die Währungsentwicklung haben Zinsdifferenzen zwischen Währungsräumen bzw. die Entwicklung von solchen Zinsdifferenzen. So kletterte der Dollar beispielsweise gegenüber Euro und Yen auch in den Jahren 1999 und 2000 stark. Damals lagen die Leitzinsen in den USA bei 6,5%, während sie in der Euro-Zone unter 4% tendierten und in Japan quasi bei null standen. Derzeit gibt es zwar nur marginale Unterschiede im Leitzinsniveau, das in den USA bei 0,25% und in der Euro-Zone bei 0,15% liegt. Ein Vergleich der Zinsstrukturkurven zeigt jedoch (vgl. Grafik 3), dass in den USA ab einer Laufzeit von zwei Jahren deutlich höhere Zinsen gezahlt werden als in der Euro- Zone und in Japan. Gemessen an zehnjährigen Staatsanleihen liegt die Zinsdifferenz bei knapp 1,5 Prozentpunkten. Amerikanische Treasuries rentieren derzeit knapp 2,4%, wogegen deutsche Bundesanleihen nur 0,9% Rendite abwerfen. Japanische Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit notieren bei 0,5%.
Entkoppelung der USA?
Der Vergleich der Zinsstrukturkurven dieser drei wichtigen Industrienationen zeigt zudem, dass es am deutschen Kapitalmarkt zu einer zunehmenden Japanisierung kommt. Die Zinsstrukturkurven der grössten europäischen und der grössten asiatischen Wirtschaft ähneln sich immer stärker. Dies weckt Befürchtungen bei Marktbeobachtern, dass es auch in Europa zu einem lange anhaltenden disinflationären oder gar deflationären Umfeld kommen wird. Dies gilt umso mehr, als in beiden Ländern die Bevölkerungsentwicklung ähnlich ist.
Die Zinsstrukturkurven zeigen ferner, dass es zunehmend zu einer Entkopplung der amerikanischen Wirtschaft von jener der Euro-Zone und jener Japans kommt. Eine Frage könnte nun sein, ob die US-Wirtschaft die beiden anderen mit nach oben zieht oder die beiden anderen die amerikanische mit nach unten. Interdependenzen sind aufgrund der starken Verzahnung des Handels jedenfalls offensichtlich.
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